Sonntag, 31. Juli 2011

KMT noch vor der Einschulung


Clara Carlotta ist vorhin von ihrem Irland-Urlaub zurückgekehrt, ganz verzaubert und glücklich, weil sie so eine schöne Zeit hinter sich hat und weil sie wieder zuhause ist. So ausgeglichen und zufrieden habe ich das Kind lange nicht erlebt. Stella hat ebenfalls gute Wochen in Österreich verbracht und ist nun in der Toskana. Die Schwiegereltern sind hier, so dass Clara sich nicht zu langweilen braucht, wenn Papa ab morgen wieder in den Verlag geht.
Gretas Blutwerte haben sich in dieser Woche erholt, die Leukozyten lagen heute bei 0,8 ppm. Nächste Woche zieht Greta um. Die Knochenmarkstransplantation ist auf den 16.08. angesetzt, obwohl es noch keine Erfolgskontrolle für die letzte Chemotherapie gibt. Morgen unterzieht sich Greta einer Rückenmarkspunktion, danach wissen wir mehr. Im schlechtesten Fall einer weiten Verfehlung des Remissionsziels von zwei Prozent gibt es eine besonders intensive Intensivtherapie bestehend aus je zwei Blöcken Chemo und Ganzkörperbestrahlung direkt hintereinander.
Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass wir einen besonders langen und schönen Sommer bekommen. Nun reden die Leute schon dauernd von Herbst. Das passt mir gar nicht. Selbst Greta hat nichts von dem schlechten Wetter, da sie selten aus dem Fenster schaut.

Sonntag, 24. Juli 2011

Ganzkörperprogramm

Clara und ihre Spielgefährten

Montag war ich mal wieder beim Völkerschlachtdenkmal. Meinem Berliner Patenjungen hat es sogar gefallen. 2013 soll das Ding hundertsten Geburtstag feiern, und deswegen wird es nicht abgerissen, sondern weiter renoviert. Die Werbung sagt, nach Fertigstellung sei es „das Schönste der Welt“. Im Hintergrund des Plakats die Freiheitsstatue, der Eiffelturm, Big Ben und die Sultan-Ahmed-Moschee. Das ist dreist. Wo doch jeder weiß, dass das VSD seine Existenzberechtigung vor allem daraus zieht, dass seit 66 Jahren niemand weiß, wohin mit den vielen Steinen. Wer mal einen Kachelofen abgetragen hat, um im Wohnzimmer Platz zu schaffen, weiß, was gemeint ist.
Vom reisefreudigen Teil der Familie gibt es nur gute Nachrichten. Stella läuft im Salzburger Land Berge hinauf wie eine Gams, während Clara am Atlantik Wellen reitet und Katzenhaie streichelt.
Greta hat hohen Bewegungsbedarf und langweilt sich. Dafür gibt es Wurfringe und Schwerter. „Kämpfen“ ist für Greta eine wichtige Vokabel. Gewinnen und den Ton angeben. Im Krankenhaus kann sie freilich nicht alles durchsetzen. „Wenn ich wieder zuhause bin, dann bin ich aber der Boss“, sagte sie heute.
Ihre Blutwerte sind unverändert niedrig. Neuerdings ventilieren die Ärzte die Variante, statt einer Chemo-Konditionierung eine Ganzkörperbestrahlung zu unternehmen. Vielleicht kann man damit eine Lücke schließen, die vor anderthalb Jahren geblieben ist und der Leukämie die Erholung ermöglicht hat. Die Strahlendosis wäre insgesamt sehr hoch, aber angesichts der Perspektiven ein kalkulierbares Risiko. Und der Vater wäre prädestiniert für die Rund-um-die-Uhr-Betreuung fünf Tage lang.

Montag, 18. Juli 2011

Bedingt schultauglich

Greta wird nun doch ungeduldig, obwohl sie erst drei Wochen in der Klinik ist. Wahrscheinlich geht es ihr einfach zu gut fürs Krankenlager. Bloß die Haare gehen jetzt aus, ungewohnt langsam. Hoffentlich war die Chemo überhaupt stark genug, um ihren Kernjob zu tun.
Wir haben ausgerechnet, dass wir selbst bei günstigem Verlauf (Knochenmarkstransplantation im August) nach den Erfahrungen vom letzten Mal bis Weihnachten in der Klinik sein dürften. Für Greta ist das keine feste Größe, da bei ihr nach dem Herbst gleich das Frühjahr kommt. Aber der Herbst wird lang werden.
Greta fragt nach Stella und Clara, deren Besuchsbegeisterung sich in Grenzen hielt und die jetzt nicht greifbar sind. Umgekehrt haben bei uns im Hof jetzt schon Nachbarskinder nach Greta und ihrem Befinden gefragt, ein neues Phänomen, das für eine zumindest teilgeglückte Sozialisation Gretas spricht.
Heidi hat Kniffel eingeführt. Mit der Komplexität von Gewinnchancen und möglichen Strategien ist Greta noch überfordert, aber den Zahlenraum bis 20 hat sie jetzt mündlich und schriftlich drauf. Bis 100 ist es nur noch ein kleiner Schritt.

Sonntag, 10. Juli 2011

Endlich Ferien


Greta in ihrem neuen (vertrauten) Heim mit der Collage aus dem Kindergarten links


Die Sommerferien haben in Sachsen begonnen, und unser Leben ist stark freizeitgeprägt. Clara Carlotta ist seit gestern in Irland, wo sie mit ihrer Schulfreundin und deren Familie drei Wochen angeln und baden und Englisch üben darf in schönster Umgebung. Stella wird am Mittwoch mit Heidi nach Wien fahren und anschließend, ebenfalls mit Freundin und Familie, in die Toskana reisen.
Aber auch die Feuerbachstraße 3 hat stark an Freizeitqualität gewonnen. Jetzt wird im Hof nicht nur gegrillt und im Sandkasten gebaggert, sondern auch Tischtennis gespielt. Vetter Roland hat zu seinem Geburtstag eine Platte mitgebracht. Jetzt haben wir Muskelkater. Zuvor hatte Federball einen hohen Stellenwert erlangt – auch bei den Töchtern.
Derweil hängt Greta in ihrem Einzelzimmer bei niedrigen Blutwerten, die weder eine Weiterbehandlung noch eine zeitweilige Entlassung erlauben. Ihr Mund ist entzündet und die Nahrungsaufnahme mal wieder kritisch. Zum Glück hat sie nun deutlich mehr Reserven als vor eineinhalb Jahren, so dass künstliche Ernährung noch kein Thema ist. Die Betreuung ist momentan selbst für unsere Verhältnisse hervorragend. Heidi ist oft bei Greta, Roland ebenfalls. Und letzte Woche waren sogar die jugendlichen Patenonkel aus Köln zu Besuch. So viel Aufmerksamkeit hat man nur, wenn man krank ist.
Der Vater muss seit Mittwoch an 33 Werktagen in Folge zur Bestrahlung, Urlaub ist nicht vorgesehen. Donnerstag gabs dazu die erste Chemo-Infusion, die im Zwei-Wochen-Rhythmus verabreicht wird. Bislang keine Nebenwirkungen, selbst die Haare wachsen noch sommergemäß.
Kulturell habe ich mich bei Greta Ice Age weiter angenähert, beim Fluch der Karibik springt der Funken aber immer noch nicht über, ich kann mich an diesen Piraten-Clown einfach nicht gewöhnen. Die Familie hat sich aber den Teil 4 als großes Kino-Event schon lange vorgenommen. Es könnte aber noch eine Weile dauern, bis die Familie vollständig auftreten kann.

Sonntag, 3. Juli 2011

Behandlung im Gang

Greta noch in Freiheit

Greta bekommt seit Mittwoch Abend Chemotherapie. Der Beginn hatte sich leicht verzögert, weil die Ärzte sich nicht einig wurden, mit welchen Dosierungen sie am besten die 2009 schon akuten Unverträglichkeiten und Gretas vorgeschädigte Nieren berücksichtigen. Im Prinzip bekommt sie dieselben Medikamente wie bei dem ersten Leukämieschub. Das Ziel ist, sie möglichst schon mit dem ersten Block, der heute endet, in Remission zu bringen, also auf einen Leukoblasten-Anteil von unter zwei Prozent zu kommen. Nach einer voraussichtlich langsamen Erholung des Blutbildes würde dann die Großdosis Chemo (Konditionierung) angewandt und in unmittelbarer Folge die Kochenmarkstransplantation einsetzen. Der Spender, Kandidat Nr. 2 aus der Suche von 2009, soll sich für den August bereithalten. Das klingt gut und zielstrebig, die Ärzte geben aber zu, dass keiner so genau weiß, was nach Ende des ersten Chemo-Blocks mit Greta passiert. Die ganze Behandlung ist hochgradig experimentell, man könnte es auch „Blindflug“ nennen. Es gibt praktisch keine Referenzfälle mehr, Greta ist mit ihrer Krankheitsgeschichte ein echtes Unikat geworden.
Die Hauptperson ficht das nicht weiter an. Nach Leukozytenabfall und kurzem Fieberschub am zweiten Tag war sie schnell wieder erholt. Aus Sicherheitsgründen muss sie im Zimmer bleiben, was ihrem Bewegungsdrang widerspricht. Ihr Lieblingsspiel deshalb momentan: eine Art Luftballon-Federball mit je zwei Fliegenklatschen, die die Reichweite im Bett erheblich erweitern. Das kann sie stundenlang spielen oder jedenfalls so lange, bis der stehende und springende erwachsene Gegenüber die Pause einfordert. Heidi hat die Fliegenklatschen mitgebracht. Sie ist bei uns und macht auch lange halbe und ganze Tage allein bei Greta. Das ist eine große Erleichterung für die Eltern.