Sonntag, 17. Januar 2010

Tauwetter

Greta geht es heute deutlich besser als am Wochenende zuvor. Sie hat seit anderthalb Tagen nicht mehr gebrochen, isst zwar kleine Mengen, aber sie isst. Der Thrombozytenwert, der Monate lang wackelig war, ist angeblich auf einem historischen Hoch angelangt, zentrale Leberwerte sind deutlich verbessert. Problem: Da bei ihr die ganze Verdauung durcheinander ist, hat sie jetzt Clostridien, Bakterien, die zwar nicht weh tun, aber sehr ansteckend sind. Für die Betreuer bedeutet das „Umkehrpflege“: Gehst du aus dem Zimmer heraus, musst du den einen Kittel aus- und einen anderen anziehen. Kommst du zurück: Kittel aus, Kittel an. Nicht weiter schlimm, aber lästig.
Kulturell war das Wochenende vom Schwarzen Peter geprägt. Greta freut sich immer, wenn sie ein neues Pärchen bekommt, obwohl das zu zweit bei jedem Zug eigentlich unausweichlich ist. Wir haben im Krankenhaus ein Retro-Spiel mit Motiven aus der Zeit Alfred Brehms, auf dem es so seltsame Bezeichnungen wie „Mausbock“ (der nicht verwandt mit dem Hausbock ist) oder „Maulwürfin“ gibt. Thüringen ist eine Art Mutterland der Spielkarten, und wir haben das dortige Museum immer noch nicht besucht. Schade, ich wollte mir aus dem McDonald-Haus in Jena ein Souvenir mitnehmen und hab’s dann doch vergessen: ein Verkehrserziehungsquartett. Wer prangt auf jedem Kartenrücken, als Kindervorbild mit oranger Weste und Wegweiser in der Hand? Genau: Dieter Althaus. Amerikanische Sammler zahlen für das Spiel jetzt 500 Dollar.
Mit Stellas Gymnasialempfehlung wird es wohl auf Anhieb nichts werden, selbst wenn sie die letzte Mathe-Arbeit dieses Halbjahrs am Freitag gut schreibt. Die Lehrerin bestätigte sogar, dass Stella gut organisiert sei und keine nennenswerten Defizite durch elterliche Vernachlässigung zeige. Aber die dummen Zahlen gehen einfach nicht in ihren Kopf. Bei Clara ist das etwas anders. Wenn wir Skat mit offenem Blatt spielen, braucht sie nach Offenlegung der Karten ungefähr drei Sekunden, um zu wissen, was im (noch verborgenen) Stock liegen muss. Greta erkennt nicht mehr nur das Greta-G in Texten, sondern irgendwie ganzheitlich auch einzelne Wörter von Untertiteln, fragt englische Begriffe nach und gemahnt daran, dass sie vielleicht, wenn alles weiter gut läuft, nächstes Jahr auch in die Schule geht.
Es taut kräftig, auch die Pferde bewegen sich wieder, aber wir freuen uns nicht zu früh. Die Familien-Ressourcen reichen noch für etwa acht Wochen Krankenhauswinter.

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