Nun scheint tatsächlich nach
den langen, grauen Monaten mal länger die Sonne...die
Vögel singen morgens im Hof und im noch braunen Auenwald, wo einige Leute schon
sträflicherweise Bärlauch ausbuddeln (gruslig für die Pferde, wenn plötzlich
Menschen auf dem Waldboden herumhocken).
Wir haben so lange darauf
gewartet, aber da liegt dann Stephan schön mummelig gelagert in seinem Bett und
atmet mittlerweile auch mal unruhiger. Und es sind die Tage, in denen Greta
fröhlich im Hof rumgesprungen wäre. Und da ist sie dann, die Faust in der
Magengrube, die ich schon so gut kenne. Wie schaffen es Gedanken, in den Magen
zu kommen oder noch weiter runter??
Meine Aufgabe für diese
ersten schönen Tage ist aber erstmal eine positive:
Ich schreibe über Bad Oexen.
Das Einzige, was in Oexen
für mich schlimm war, war das „Klangbad“, weil ich da drin (drauf?) lag, als
ich wusste, dass wir mit irgendeinem neuen “Scheiß” wieder nach Hause
fahren…ich hatte Angst vor dem Tod meines Kindes, stellte mir vor, wie ich selbst
im Sarg liege...und da war das Klangbad eben ausnahmsweise nicht schön, sondern
bedrohlich.
Ansonsten liebe ich Bad
Oexen!!!
Ich würde sofort dahin
ziehen, dort arbeiten wollen – wenn meine Mädels nicht solche Ost-Stadtpflanzen
geworden wären (ich eigentlich auch). Außerdem bin ich noch keine fertige
Therapeutin... - und alles ist noch viel zu nah dran...
Ich oder Stephan wollten
hier keinesfalls den Eindruck erwecken, dass wir es dort nicht schön hatten –
im Gegenteil...!! Wir alle haben es geliebt...und Clara fragte mich neulich
auch, ob wir nicht nochmal nach Oexen fahren könnten.
Ehrlich gesagt hätte ich
Angst davor, an einen Ort zu fahren, wo Greta so superglücklich war wie sonst
nur in Kiel, auf dem Ponyhof Kötschlitz, mit ihrem Patenonkel Jonas, auf dem
Schlitten in Saalfelden, bei den Delfinen in Nürnberg oder in der „Grünauer
Welle“, wo sie vor dem Einbau ihres ungefähr sechsten Broviac-Katheters
gefühlte 1000mal von der Rutsche gerutscht ist...
Also, das würde vielleicht
in die Kategorie "Konfrontationstherapie" oder "Gefühle zulassen" fallen.
Aber im Ernst: möchte mit
ich mit euch allen (Ulla, Michael, Markus, Konstantin, Doro...) eigentlich mal
ganz viel Weinen und ganz viele (auch so schöne!!) Erinnerungen teilen...Aber
wie gesagt, ich weiß nicht, ob wir eine Trauer-Kur machen dürften...und ob ich
das packe, weiß ich auch nicht...
Der Gedanke fühlt sich
allerdings gerade ganz gut an, wer weiß?! Ganz viele tolle Menschen, die uns
begleiten, habe ich in Oexen kennen gelernt und darüber bin ich rasend froh!
Genauso darüber, dass wir im Juli 2012 eine chaotisch schöne Woche dort
verbringen, uns irgendwie „verabschieden“ und einige liebe Menschen
wiedertreffen oder kennen lernen konnten...
Die Sonne scheint und
eigentlich sollte man offener und fröhlicher werden, aber da liegt Stephan im
Bett und rührt sich nicht, und ich merke, wie ich leerer und ausgelaugter werde
und alles furchtbar anstrengend ist.
Denken, Reden...ich habe
eine Blase im Kopf, die hin- und herblubbert, und ich versuche, mich zu
konzentrieren.
Ich wünsche mir manchmal
Gespräche mit bestimmten Menschen, denen das aber, glaube ich inzwischen, zu
nah und zu schwer ist...und bin gerührt von Menschen, die uns ganz nah kommen
und ganz viel geben, weil sie das Bedürfnis und den Mut dazu haben, diese
merkwürdige Stimmung hier auszuhalten. Auch zu wissen, dass Viele uns "auffangen" werden...ist so tröstlich und hilft mir, den Mädchen gegenüber
sowas wie Zuversicht auszustrahlen. Dass wir auch „abstoßen“ mit unserem Drama
ist mir bewusst und Jedem, der sich schützen möchte, sei das gegönnt und
„erlaubt“...
Im Blog von Herrndorf ist
ein Foto von ihm auf Schlittschuhen – immerhin kann er noch stehen und sowas
machen...! Trotzdem hat es mich auch wieder sehr gerührt; keine Ahnung, was es
mit dieser Ähnlichkeit auf sich hat.
Am Samstag konnten wir einen
langen Waldspaziergang mit Rooney Ronaldo Lopez de Vega und Ben Kingsley machen
– Clara hatte ihre Freundin Vicky dabei, die auch hier übernachtet hat. Vicky
hat sich Rooney gleich „unter den Arm geklemmt“ und ist lachend und völlig angstfrei
mit uns über die inzwischen schneefreien Waldwege getrabt...!
Das kann ein wenig die
Schwere wegpusten und mich im Hier und Jetzt sein lassen (wie es besonders
Greta auch so gut konnte...) Kinder sind einfach manchmal doch Kinder...und das
ist gut so. Clara hat sich heute morgen hüpfend und springend über ihre Bravo79-CD gefreut, liebste Sabine (und ich freu mich schon auf`s Hören vom Django-Soundtrack und der Micha-CD im Auto...!!)
Dieses schnellere Atmen macht
mich wahnsinnig. Keiner kann einem sagen, wieviel Zeit Stephan noch bleibt in
diesem schwachen, verwirrten, dünnen Körper – auch er wird ein Vogel mit
schnellen oder stolzen Schwingen sein.
Stoisch von Tag zu Tag
weiterleben.
30.07.2012, Tagebuch
„Wie es sich anfühlt, wenn
du auf meinem Bauch liegst...dann herunterhüpfst, um Tischtennis zu
spielen...möchte ich als Gefühl in Erinnerung behalten – Alles tun, um die
Situation für alle erträglich zu machen, vesuchen, da zu sein.
Ich kann mir – zum Glück –
die Leere ohne euch nicht vorstellen.“
Der schöne, heiße Sommer 2010 in Bad Oexen...(auf dem letzten Bild wird ein Gewitter bestaunt)...!
2 Kommentare:
Die März-Aufgabe hast Du grandios bestanden, Steffi! Ich wünsche weiterhin viel Kraft und denke an Euch. Alles Liebe
Liebe Steffi,
ich verfolge das Blog schon eine ganze Weile.
Ich habe selbst vor 4 Jahren meine Tochter an die Leukämie verloren und trage Krebs mit sehr schlechter Prognose in mir.
Ich möchte Ihnen danken, dass Sie die Zeit und die Kraft finden, zu schreiben und wünsche Ihnen und Ihrer Familie alles Gute und hoffe für Sie.
Liebe Grüße,
Matteo
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