Greta ist auch am vierten Tag der Verabreichung schwerster Chemo-Hämmer ziemlich normal und guter Dinge. Am liebsten isst sie gerade Wiener Würstchen, denen sie erst sorgfältig die Haut abkaut, um sie dann als „Nacktschnecken“ zu bezeichnen.
Die Einschulung ihrer Schwester hat sie mit einer einschlägigen Playmobil-Figur nachvollzogen, die sie rechtzeitig geschenkt bekam. Eine Schleich-Tiger-Familie dient dazu, „König der Löwen“ nachzuspielen. Ansonsten gebührt dem Erfinder von Maumau der Nobelpreis. Greta macht das inzwischen stundenlang, und sie kann schon fast Könige von Buben unterscheiden.
Jena ist eine nette Stadt, hügelig und waldig. Der Bahnhofsname „Paradies“ ist allerdings doch etwas übertrieben. Samstag Mittag wird es schon schwierig, Lebensmittel zu bekommen. Die medizinischen Einrichtungen sind deutlich kleiner und familiärer als in Leipzig. Anscheinend sind wir auch dort gut untergebracht.
Die elterliche Betreuung übernachtet bei Ronald McDonald, einer Art Kette von Jugendherbergen an derzeit 17 Standorten größerer Kinderkliniken in Deutschland. Das Zimmer mit Großküchenbenutzung kostet konkurrenzlose 15 Euro die Nacht. Cola kommt rund um die Uhr gratis aus dem Hahn. Freie Cheeseburger und Pommes Frites gibt es allerdings nicht. Nun weiß jeder, dass McDonald’s in Wahrheit ein Wohltäter der Menschheit ist.
Samstag suchte uns ein freundlicher älterer Herr auf, der sich als pensionierter Pfarrer und Hobby-Seelsorger vorstellte. Während ich meine gute Kinderstube nicht verleugnete, war Greta ungnädig: „Halt die Klappe!“ Wir waren nun auch gerade in eine besonders spannende Maumau-Partie vertieft. Der Gottesmann sprach weiter. „Ich muss mich konzentrieren“, so Greta im O-Ton, „HÖR AUF ZU REDEN !!“ Schließlich resignierte der freundliche Herr und wünschte uns einen schönen Tag. „So bald bekommt ihr meine Tochter nicht“, hätte ich ihm fast hinterhergerufen.
Mein Urlaub ist vorbei. Es könnte sein, dass die Nachrichten demnächst spärlicher kommen. „Urlaub“ war es insoferne dann doch, als ich gut ausgeschlafen bin, ein paar Bücher gelesen und Freunde getroffen habe.
Sonntag, 24. August 2008
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1 Kommentar:
Wenn ich lese, wie gut Greta all dies verkraftet, seh ich das als Beleg für die These, daß Schmerzen etwas sehr subjektives sind. Ich freu mich zu lesen, daß sie ihren Dickkopf nach wie vor durchsetzen kann. Big Macs werd ich aber trotzdem nicht essen.
Für Clara und Stella wünsch ich einen schönen Schulstart trotz der Schreckensmeldung aus Leipzig und dir einen guten Arbeitsbeginn. Und ich drück die Daumen, daß Greta bald wieder zu Hause rumwirbelt mit guten Nachrichten aus Jena.
Liebe Grüße
Doris
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