Heute haben wir den Tag Hundert nach der Knochenmarks-transplantation erreicht. Das gilt als wichtig, ohne dass ich genau erklären könnte, warum. Dieses Jubiläum wird zum Anlass genommen, Anfang nächster Woche die dritte Rückenmarks-punktion zu machen – einer der Gründe dafür, dass Greta noch immer auf Station ist. Der zweite Grund sind drei oder vier Medikamente, die noch durch ihren Tropf laufen, in den nächsten Tagen allerdings reduziert werden. Der dritte Grund ist ihre noch immer mangelhafte selbstständige Nahrungsmittelaufnahme. Hier könnte man das Risiko eingehen und die Darmsonde ziehen, das Kind einfach zuhause dem Einfluss seiner gefräßigen Schwestern aussetzen und schauen, was passiert. Infekte sind zuletzt ausgeblieben, der Allgemeinzustand ist deutlich verbessert, die Betreuung des unternehmungslustigen Kindes in der Klinik zunehmend anstrengend. Der Renner an diesem Wochenende war Sagaland, unter harten Wettbewerbsbedingungen. Ich hätte gar nicht gedacht, dass Fünfjährige das spielen können. Es bleibt dabei, dass in Gretas Kopf bislang nicht viel kaputt gegangen sein kann.
Hoffentlich kommt irgendwann wieder eine Zeit, wo man sich auf die nähere Zukunft freuen kann. Im Moment ist es wie bei der Bundeswehr. Wieder eine Woche, wieder ein Monat herum. Ich könnte mir ein Maßband in die Tasche stecken zum Tage-Abschneiden, der Unterschied: Es gibt keinen Entlassungstag. Wenn ich erzähle, wir waren sechs oder acht Wochen am Stück in der Klinik, höre ich: Oh je, Ihr Armen!, weil sich jeder vorstellen kann, dass das ungefähr zweimal Sommerurlaub ist. Wenn du aber was von sechzehn Wochen erzählst, denken die Leute: Schön, dann habt Ihr euch ja anscheinend gut eingerichtet in der Situation. Mit der Zeit wird es einfach langweilig, vor allem für die Außenstehenden.
Ich interessiere mich wie nie zuvor für Wetter und Jahreszeiten. Endlich der Januar geschafft. Inzwischen ist es morgens um sieben bei klarem Himmel schon ein bisschen dämmerig, bei euch in Köln dagegen noch stockfinster. Wahrscheinlich deshalb wirbt der Osten mit „Wir stehen früher auf“. Spötter haben daraus „Wir stehen auf Früher“ gemacht, was völlig unberechtigt ist, denn wir sind hier erfreulich traditionsarm. Da wird so lange gewerkelt, bis die Strukturen stimmen. Deswegen hat Sachsen auf Pisa reagiert. Seit 2006 gibt es offiziell „Gemeinschaftsschulen“, weil Durchlässigkeit und individuelle Fördermöglichkeiten im zweigliedrigen Schulsystem zu Recht als suboptimal gelten. Eine dieser Pilot-Schulen steht in Leipzig und ist von hier aus mit der Straßenbahn ohne Umsteigen zu erreichen. Mehr wird an dieser Stelle noch nicht verraten. Stella hat in Mathe eine satte Drei geschrieben und damit die formalen Kriterien für die Gymnasialempfehlung erfüllt.
Sonntag, 31. Januar 2010
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2 Kommentare:
Wir sind in einer schnell lebigen Zeit. In Hollywood werden alle Probleme in 2 Stunden gelöst und die Presse hat Haiti bereits wieder vergessen. Doch das wahre Heldentum, die wahre Stärke, liegt in der Hartnäckigkeit und Persistenz. Große und schwierige Träume und Visionen gehen nur in Erfüllung wenn man dabei bleibt. Für die wirklich wichtigen Dinge muss man einen beträchtlichen Teil seines Lebens opfern. Nicht die Manager, die schon wieder ihre Boni abfassen, sind wichtig ihr seid wichtig und ein Vorbild für mich. Ich gratuliere Stella zur Mathe-Arbeit. Seht ihr ihr schafft alles! Ciao Josef
Daß ihr euch in der Klinik einrichtet, kann ich mir nicht wirklich vorstellen. Alles deutet ja eher darauf hin, daß Greta rausdrängt und ich bin sicher, daß zu Hause mehr Lust auf Essen kommt. Für Stella sind jetzt also schulmäßig alle Möglichkeiten offen. Möge sie die kindgerechteste finden.
Liebe Grüße
Doris
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