Sonntag, 25. Mai 2008

Geduld ohne Fernseher

Ein Dank, wieder einmal, an das gute Wetter. Im Rosental treffen sich meine Töchter mit anderen Familien, mit Schwulen und mit auffallend vielen älteren und alten, sehr adrett gekleideten Herrschaften, die sonst in der Stadt kaum in Erscheinung treten. Die große Wiese hat fast etwas von der Mall in Washington. Nur dass dort keine Heißluftballons starten, hier sehr wohl. Warum wird hier eigentlich kein Fußball gespielt? Auf den Rheinwiesen oder in der Hasenheide balgen sich die Thekenmannschaften um solche Freiflächen. Die Sachsen sind selber schuld an ihrem historischen Tiefstand.
Seit kurzer Zeit liest Stella freiwillig, leise, allein und zusammenhängend. Ein großer Schritt in die richtige Richtung. Wir werden den Fernseher vorläufig nicht anschließen, das steht fest. Auch wenn’s weh tut, am Tag des ersten Wuttke-Tatorts aus Leipzig und zwei Wochen vor einem sportlichen Großereignis.
Die Krankenbetreuung am Wochenende war relativ entspannt, Greta mit einem Mix aus Filmen, Vorlesen und Spielen ganz gut über den Tag zu bringen. Die Wilden Kerle 3 kannte ich noch kaum. Nicht gerade ein kulturelles Highlight, aber für mich immerhin der erste zusammenhängende Film seit dem Kinobesuch mit Clara. Wie alle kleinen Kinder kann Greta von ihrem jeweiligen Favoriten nicht genug kriegen und muss ihn dauernd hintereinander konsumieren. Unter den Büchern hat diesen Status die Puppe Mirabell erreicht, ein unbekannteres Lindgren-Buch mit der verträumten Geschichte einer armen Gärtnerstochter, der ihre Wunschpuppe aus dem Beet heranwächst und dann auch noch ein richtig lebendiges Kind wird.
Lotti Karotti ist angesagt und etabliert sich damit so langsam als Klassiker in der Familie. Das Spiel ist zwar von Anlage und Regeln her nicht besonders durchdacht. Auch ist es kein Vorzug, dass die Dreijährigen losheulen, wenn ihr Hase im Loch verschwindet. Der Charme von Spielfeld, Figuren und drehbarer Möhre ist aber unwiderstehlich. Ansonsten geht Memory, in etwas freierem Szenario, oder Bauklötze einsperren. Eines der Bauklötze-Kinder darf wieder nachhause, weil es gesund ist. Eine der Figuren ist sehr traurig, weil gerade das Kind gestorben ist. Was ansonsten öfters in verschiedenen Kontexten kommt: „Die schieße ich alle ab.“ Gewaltphantasien, die die Unzufriedenheit mit der Gesamtsituation spiegeln. Auch Ärzte und Schwestern sind keine Freunde mehr. Hier gibt es jetzt oft Total-Opposition, heute auch mal wieder einen klassischen Wutanfall. Der Spaß ist vorbei. Gebt mir richtig zu essen und lasst mich endlich nachhause!
Aus dem operierten Bauch des Kindes läuft immer noch der Inhalt einer Cola-Dose täglich heraus, es war allerdings zuvor schon die doppelte und dreifache Menge. In ein paar Tagen werden wir hoffentlich in die Normalstation verlegt. Nächste Woche kann überhaupt viel passieren. Selbst Fortuna kann noch den Aufstieg schaffen. Wir halten in sehr alter Verbundenheit Eisern Union die Daumen.

2 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Liest sich als kommt Greta´s Power wieder. Da wird´s für euch auch wieder lebendiger im Krankenhaus!

Und fortuna drück ich die Daumen,in der Hoffnung, daß wir uns dann mal im Stadion begegnen als Fanfreunde.

Doris

MBM hat gesagt…

Lieber Stefan,

eine sehr, sehr schöne Nachricht, dass Greta wieder zu sich kommt und ihr zusammen alles so gut übersteht. Letzte Woche waren Pablo und ich in Rom. Dort sind bekanntlich sehr viele Kirchen. In der ersten, wo wir waren, derjenigen, die bei der Bocca della verita (Mund der Wahrheit) ist, hat Pablo eine Kerze angezündet für Greta und seine Oma Imola. Das war allein seine Idee und ich freue mich sehr, dass er daran gedacht hat.
Wir haben auch keinen Fernseher seit anderthalb Jahr nicht. Gut Pablo hat immerhin einen bei seinem Vater, falls er was sehen will. Was mich betrifft, komme ich ganz gut ohne ihn zurecht. Fußball wird es bei uns im Café geben oder auf dem Olympiagelände. Wir wohnen gleich in der Nähe. Ich wünsche Euch viel Liebe, Kraft und Geduld für diese Woche und überhaupt.
Marie-Brigitte