Seit einer knappen Woche sind wir in Bad Oexen, wo wir die Segnungen und Pflichten des Kurbetriebs für Familien-Rehabilitation mitmachen. Die Unterbringung ist vom Waldstraßenviertel-Standpunkt aus betrachtet etwas eng, das Essen ganz passabel (das Beste daran: man muss keinen Finger dafür rühren). Alles andere drum herum - Schwimmbad, Spielplätze, Turnhalle, Kindergarten usw. - ist sehr großzügig, die Anzahl der mitbetroffenen Familien überschaubar. Wir haben es mit den Namen und Persönlichkeiten von ca. 20 Kindern und 35 Erwachsenen zu tun.
Die ersten Tage waren geprägt vom Einleben, das zum einen im Herunterfahren des Stoffwechsels und zum anderen in der Gewöhnung an die Organisation der zahlreichen Termine bestand, die nun unseren Alltag bestimmen. Vieles davon ist vom geselligen und körperlichen Aspekt her ganz nett, manches aber auch recht überflüssig, wie die Vorträge "Warum ist Bewegung gut" oder: "Wie ernähre ich mich richtig".
Die Kinder sind phasenweise gut absorbiert, haben auch einschließlich Gretas keine Berührungsängste, aber der Tag ist doch lang. Für die Erwachsenen ist der Geselligkeitswert bisher gering, was sich hoffentlich noch ändert. Aber die Leute haben andere Probleme, als das Bedürfnis, Kontakte zu knüpfen. Die meisten sind einfach nicht gut drauf nach langer Leidenszeit mit krankem Kind. Ich habe vorhin Fußball gespielt mit dem zehnjährigen Johannes, der ein wandelndes Fußball-Lexikon ist. Der kennt den aktuellen dritten Torhüter von Arminia Bielefeld ebenso wie die Anzahl der Nationalspieler, die der FK Pirmasens 1954 gestellt hat. Den Kram hat er sich ein Jahr lang im Krankenbett angelesen. Inzwischen kann er wieder selber vor den Ball treten, und sein ungeschorenes Nach-Chemo-Ersthaar kann mit Paul Breitner in seinen besten Jahren konkurrieren.
Meine Mädels sind ja eher scheu am Lederball, vor allem, wenn große Jungs ab sechs Jahren mitspielen. Dafür haben sie Tischtennis entdeckt und machen da zu meiner Freude große Fortschritte.
Am langen Pfingstwochenende ist der Kurbetrieb auf Kost und Logis reduziert, es gibt keine Anwendungen und Veranstaltungen. Das ist einerseits etwas langweilig, anderseits kann und darf man ganztägig etwas unternehmen. So waren wir gestern in Bückeburg, haben eine Hofreitschule besucht und ein sehr respektables Hubschraubermuseum, welches - jawohl! - auch die großen Töchter interessiert hat. Wir haben gelernt, dass das so genannte "Weserbergland", in dem wir uns befinden, nicht nur landschaftlich schön ist mit seinen Wäldern und Höhenzügen, sondern offenbar auch eine zusammenhängende Kulturregion ist, in der es manches zu entdecken gibt.
Morgen geht es nach Kalkriese zur Varusschlacht, nachdem heute die Wäsche erledigt werden wollte. Es ist sehr aushaltbar hier bei überwiegend gutem Wetter. Es wäre freilich ein Unrecht, die demgegenüber bestehenden klaren Vorzüge des Bürolebens zu leugnen. Es gibt weit und breit keine kleinen Kinder. Es gibt von früh bis spät Kaffee. Du kannst die Tür zumachen, wenn du telefonieren willst. Du hast einen stets laufenden, schnellen PC, musst das Gerät nicht mit Euro-Stücken füttern und vor Konkurrenz verteidigen. Du kannst dich den ganzen Tag mit Menschen unterhalten, die Abitur haben und nicht extrem übergewichtig sind. Du verbringst weniger als fünf Prozent deiner Gesprächszeit damit, über kranke Kinder zu reden sowie über gesunde Kinder, die wegen der kranken Kinder vielleicht zu kurz gekommen sind. Du hast ständig was zu tun und zwar nicht nur im Sinne einer tagesstrukturierenden Maßnahme, die hilft, die Zeit bis zum nächsten Essen herumzubringen, sondern richtige und ernste Dinge, die bei Tagesende eine gewisse wohl verdiente Müdigkeit bewirken. Dies sind Gründe dafür, dass im Normalfalle und Alltag das Büroleben dem Kurleben eindeutig vorzuziehen ist. Wir könnten den Aufenthalt leicht um eine vierte Woche verlängern. Ich werde das nicht tun, für die Damen ist es im Moment noch ungewiss.
Ich bin ein lausiger Postkartenschreiber. Schöne Grüße allerseits. Von Steffi werdet ihr mehr zu lesen bekommen.
Sonntag, 31. Mai 2009
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1 Kommentar:
Hört sich eher gemütlich an bei euch. Aber das tut ja vielleicht auch gut nach all dem Streß.
Kriegst du auch die "wichtigen" Fußballmeldungen mit: Loddar so zuFortuna Düsseldorf, sein Mäzen will dafür drei Spieler kaufen und Red Bull will in Leipzig den Fußball wieder beleben. Bei solchen News genieß ich den heutigen Tag im Max-Morlock-Stadion in Nürnberg.
Liebe Grüße
Doris
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