Freitag, 25. Januar 2013

Stephans MRT

Stephans MRT-Befund vom 17.01. war schlecht. Am Montag saß ich mittags bei unserer lieben Hausärztin, die den Brief von den Radiologen auch noch nicht gelesen hatte. Gemeinsam überflogen wir den deprimierenden Text.
„Massiver Progress“ sind die 2 Worte, die mir seitdem durch den Kopf hämmern...

Positiv ist, dass die Liquorgänge frei sind und dadurch kein Druck-Kopfschmerz entsteht...aber das Tumorgewebe hat sich zum Mittelhirn bewegt, wo man ohne größere Schäden nicht mehr operieren kann. Es ist verantwortlich für Muskelschwäche und motorische Probleme, die in den letzten Wochen verstärkt auftraten.
Wir selbst bewegen uns nun per Rollstuhl zwischen Bett, Küche, Bad und wieder Bett hin und her – zum Glück geht das einigermaßen, aber Stephan benötigt eigentlich Hilfe bei allem.

Letztes Jahr um diese Zeit sind wir zu fünft wie die Wilden und sehr glücklich mit Heidi die Saalfeldener Berge runtergerodelt...--

Wir haben mit Hilfe meiner nach wie vor unschlagbar rüstigen Eltern einige Zimmer der Wohung entmistet und Vieles umgebaut und repariert – es gibt nun ein großes, variabel befahrbares Krankenbett neben unserem normalen Bett, die Kinderzimmer sind entrümpelt und neu verteilt. Es ist nun tatsächlich Platz für ein spießiges Wohnzimmer mit (Schlaf)sofa („Extreme Couching!!!“) und dann auch mal irgendwann Homekino mit echtem Fernseher für unsere DVD-Sammlung...Mal sehen.
Momentan ist erstmal „Herr Galax“ in der Stop+Go-Reha, was uns sicher ein Vermögen kosten wird, aber dringend nötig war. Man fühlt sich nur kurz schlampig, dass man in den letzten fünf Jahren kein Serviceheft geführt hat—

Am Dienstag war unsere Ärztin morgens wie gewohnt früh bei uns, zum Blutabnehmen etc. Nun ging es auch um den Befund vom MRT und darum, Stephan beizubringen, dass er sich nun „versorgen und pflegen lassen“ dürfe, seine Sachen im Büro regeln solle und evt. Dinge zum Weitergeben diktieren...Am „Härtesten“ war für ihn die weitere Krankschreibung...

Das war so ein Moment, wo man alles ganz genau begreift und klar vor sich sieht, dass es unabwendbar ist und alles über einem zusammenkracht...ich wankte irgendwann verheult in die Küche. Lag meiner Mama in den Armen...und: hinter`m Fenster an den Futtersäckchen saß plötzlich ein Rotkehlchen – das hat mich so gerührt und getröstet gleichzeitig und wir schauten alle, ob es denn auch etwas zu fressen finden würde...(Rotkehlchen können sich nicht an den Meisenbällen anhängen...) Es waren noch andere Vögel im Garten und hingen an den Meisen-Bällchen...die seitdem noch nicht wieder gekommen sind. Minusgrade, Schnee und ein Rotkehlchen am Fenster.
Als uns im September Pfarrer Wolff besucht hat, saß plötzlich eine Elster an derselben Stelle...
Ich bin ja eigentlich sicher, dass Greta ein großer Bussard, Adler oder sowas ist, aber vielleicht kann sie auch als kleinerer Vogel auftauchen...?!?

Manche fragen mich, ob ich „Zeichen“ von Greta bekomme...und ich weiß es nicht so richtig, ob es Zeichen sind. Manchmal denke ich dann einfach, dass es welche von ihr sind, weil es ein schöner Gedanke ist.
Mir wurde auch von Träumen berichtet, in denen sie auftauchte, die immer sehr „licht“ und freundlich und gut waren...und das zerstreut ein wenig meine manchmal aufsteigenden Ängste, dass sie doch nicht gut „gehen“ konnte...

Diese Woche war das jährliche, große Benefizkonzert der „Elternhilfe für krebskranke Kinder“ im Gewandhaus. Es war das 13. seiner Art und ich zum ersten Mal als Zuhörerin dabei...im nächsten Jahr möchte ich mithelfen, das Spendentöpfchen halten oder Ähnliches...es war wie dazugehören und nicht mehr dazugehören...

Wobei ich mittlerweile auch so viele Menschen kenne, die ein Kind oder einen geliebten Menschen verloren haben und das in ihr Leben integrieren müssen...egal, ob mit langem Leiden oder durch Unfälle, Krankheiten...- irgendwie sind wir alle betroffen.

Stella fährt demnächst auf die „Rüstzeit“ mit ihrer Konfirmandengruppe und Herrn Wolff, anschließend mit Clara zur Geschwisterfreizeit ins Elbsandsteingebirge. An den tollen Projekten können die beiden nach wie vor teilnehmen. Das ist so wertvoll, weil ein langer Bezug besteht und es gerade in der momentanen Situation wichtig ist, solche Unterstützung zu haben. Danke!!!

Übrigens suchen wir auf unserem Pferdehof dringend einen neuen Trecker. Einen mit so einer Gabel vorne dran für Heu- und Strohrollen...- da der eine oder andere von euch auf Höfen groß geworden ist oder in Firmen für Landmaschinenbau arbeitet, hat vielleicht Jemand eine Idee...??!!
Der Traktor sollte nicht so weit weg von Leipzig sein und kein Vermögen kosten...
Danke für alle Hinweise!!!

Samstag, 19. Januar 2013

Gretas Baum



Ich denke oft an den Tag, als Greta fortging. Sie ging nicht buchstäblich, das konnte sie nicht. Wir lagen aneinandergekuschelt auf zwei Krankenhausbetten und als sie ihren Körper verlassen hat, wurde sie "abgeholt".
Ich wünschte mir später an dem Tag so Jemanden wie Edward Cullen in den Raum oder hätte den Beweis einer Vampirexistenz durchaus begrüßt...leider kam er nicht, und mein Gefasel hat auch niemand der Anwesenden verstanden...Greta hätte gewusst, was ich meine.
Sie hätte gerne noch den letzten Teil der „Biss“-Filme gesehen und es tut mir irgendwie leid, dass sie nur ahnen konnte, was noch passieren würde. Außerdem habe ich ihr das Ende nie richtig erzählt, weil ich nichts vorwegnehmen wollte. Manchmal sollte man Geschichten zuende erzählen (auch wenn man damit die Spannung nimmt), damit einen das Unerfüllte nicht quält.
Inzwischen denke ich, dass es vielleicht auch nicht so wichtig war. Eine Vampirwelt ist auch eine reichlich trügerische Hoffnung...

Abgeholt wurde sie jedenfalls von einen weißen, fliegenden Pferd mit leuchtendem Horn...ich habe es in meinem Kopf gesehen und Greta muss es auch gefühlt haben, denn sie atmete immer ruhiger und fand die Bilder offensichtlich schön. Vielleicht waren es auch ihre Bilder, die ich gesehen habe in dem Moment, wo ich mich auf ihre Gedanken konzentriert habe?
Kein ewiges Leben. Kein ewiges Glück.
Aber irgendetwas anderes. Gutes. Starkes.

Ich träume nicht von ihr. Ich weiß nicht, ob das gut ist oder schlecht. Oder ob ich mich morgens einfach nicht an meine Träume erinnern kann. Mein Gehirn springt sowieso hin und her zwischen dem banalsten Kram der Welt und dann wieder existenziellen Fragen. Ich überlege, ob ich in der Schule anrufen muss, ob wir noch Milch im Kühlschrank haben (Soja-Milch kaufen!!! Normale Milch ist Tierquälerei!!!),
zünde die Kerze an, räume dreckige Teller und den benutzten Eierbecher vom Tisch und denke an den Schnee draußen und ob es im „Himmel“ wirklich nicht kalt ist.
Kann ja nicht kalt sein, ist ja nur der „Geist“, die „Seele“, die frei herumschwebt...- kein kleiner, kranker, frierender Körper mehr, der dranhängt.

Greta soll einmal zu einer der Krankenschwestern gesagt haben: „Jetzt müsst ihr euch eine neue Greta suchen!“ als sie in der Transplantationsnacht eine Sepsis bekommen hat...
Wie soll das gehen...- eine „neue Greta“?!?
Nun ist sie schon vier Monate weg, ein neues Jahr hat begonnen...
Das Leben geht weiter, aber anders - leerer, hohler. Mit mehr Sehnsucht in verschiedene Richtungen, aber zum Glück immernoch genug konkreten, erdigen Aufgaben.

Ich habe einen kleinen „Kulturraum“-Job an Stellas Schule übernommen – „Kreative Schreibwerkstatt“ – der Spaß macht und meine löchrige Konzentration nicht allzusehr überfordert. Die Kids sind klasse, und es ist toll, malwieder in solch ganz anderen Zusammenhängen aufzutauchen.

Stella und Clara machen „ihren" jeweiligen Job ganz toll und bestehen tapfer ihren Alltag. Clara hatte einen sehr guten Start am "Eva Schulze" und ist dort sehr glücklich, obwohl Greta genau in den Tagen der ersten Klassenfahrt gestorben ist.
Beide  vermissen den kleinen Wusel Greta auch immer wieder sehr, aber sie integrieren sie auch in die Dinge, die sie tun...Beim Ausritt ist Greta zum Beispiel „dabei“, beim Nägel lackieren oder beim Musikhören...- irgendwie „immer“!
Dass der Papa „immer weniger wird“ ist allerdings ganz schön hart für die beiden... Stephan hatte am 17.1. einen MRT-Termin am Johannisplatz. Die Ergebnisse werden mindestens bis nächste Woche auf sich warten lassen, aber besser geworden sind sie dadurch wahrscheinlich nicht.
Diejenigen, die uns in den letzten Wochen häufiger besucht haben oder Stephan tapfer im Büro (Lebenselixier...! Struktur, Kollegen, Existenzberechtigung...) erlebt haben, werden den Gedanken verstehen können.
Wenig Fußball, kaum Politik, kein Sex und ganz wenig Drogen (die Zigaretten, die mittlerweile am Küchenfenster geraucht werden...). Es muss ziemlich deprimierend sein.
 
 Ich habe inzwischen „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ von John Green gelesen und einige Sachen darin haben mich motiviert, den Blog von Stephan doch wieder zu beleben – weil das Ende von Allem nicht der Tod ist, sondern das Nicht-mehr-erwähnt-oder-bedacht-werden...und wenn die Protagonistin stirbt, möchte man doch wissen, wie es mit den Nebendarstellern weiter gegangen ist...?!
Und: Man kann Jemanden lieben, auch wenn er durch seinen Tod ein Riesenloch im Herzen hinterlässt...Die Krebs-Diagnosen sind vielleicht BOMBEN, aber nicht die Betroffenen selbst...
Auf jeden Fall lesenswert das Buch.
   
Wir möchten allen Baumspendern ganz herzlich danken!
Wahrscheinlich wird es im Herbst diesen Jahres dann endlich einen wunderbaren Greta-Baum geben – die Wiese im Rosental steht unter Denkmalschutz und irgendwie ist es nicht so einfach, lauter Gedenkbäume zu pflanzen...aber wir schaffen das noch.
Ich werde euch auf jeden Fall informieren und wir "schaffen" ja vielleicht auch ein kleines Fest für diesen Anlass (auch die Urne hat noch keinen entgültigen Platz gefunden, da uns die Entscheidung schwer fällt, wo dieser Ort sein soll, aber auch das wird sich finden...).
Das Konto von Greta muss allerdings geschlossen werden, deshalb bitte dort keine Spenden mehr hinschicken.
An sich sind wir auch telefonisch erreichbar...aber je nach Lage der Festnetztelefone, geht nicht immer jemand dran...SORRY...ich habe auch zwei unserer Handys gewaschen. Es ist also nicht ganz einfach. Bitte trotzdem probieren...!

Überhaupt nochmal Danke an alle, die uns nach wie vor stützen, tragen, schützen, fordern, lieben, wie wir sind (Zeitbomben!!), und uns so normal behandeln (wir haben uns schon so lange daran gewöhnt, nicht mehr „normal“ zu sein...), wie es eben gerade geht.
  
 Kerzenschiffchen an Gretas Geburtstag...am Schloss Dölkau
 Der Abendhimmel am selben Tag...

 

 

 

 

 

 

 

 

Gretas Baum