Sonntag, 30. März 2008

Operation anberaumt

Greta ist in der Klinik und bleibt über Nacht dort. Die Blutwerte sind erwartungsgemäß sehr schlecht. Immerhin konnte sie bis auf regelmäßige ambulante Besuche die ganze Woche zuhause bleiben. Aber sie hatte zwischendurch schon manchmal Nasenbluten, und wir waren mehrfach auf dem Sprung in die Klinik. Nächste Woche soll der sechste Chemoblock losgehen. Von alleine wird sich die Blutbildung nicht mehr rechtzeitig erholen. Die Werte sollen aber mit der Beigabe von Thrombozyten und Erythrozyten stabil gehalten werden, um die Therapie termingerecht fortsetzen zu können.
Inzwischen ist uns auch eine Operation klar in Aussicht gestellt worden. Das ist eine gute Nachricht, denn die Aussagen der Ärzte waren diesbezüglich bisher sehr vage. Die Operation ist deshalb notwendig, weil im Haupttumor die Gefahr am größten ist, dass sich resistente Neuroblastomzellen bilden. Anderseits würden die Ärzte sich nicht für die OP entscheiden, wenn die Bekämpfung der Metastasen durch die Chemotherapie bisher nicht erfolgreich gewesen wäre und wenn nicht eine gute Chance bestünde, den Tumor wirklich ganz zu entfernen.
Am 25.04. wird es ein weiteres Magnetresonanz-Tomogramm (MRT) geben, danach wird operiert. Zuvor muss noch folgendes passieren: Es müssen Stammzellen aus dem Blut gesammelt werden, damit diese die Arbeit des Rückenmarks reaktivieren können, welches bei der Megatherapie, der finalen chemischen Keule nach dem achten Chemoblock, zerstört werden wird. Diese Stammzellen sind jetzt sauber, also nicht mehr von Neuroblastomzellen verunreinigt, gleichzeitig produziert Gretas Körper jetzt gerade noch genug davon, dass man sie überhaupt abfischen kann. Das ist eine mühselige Prozedur, die ganze Tage dauert. Mit mehrfachen Anläufen muss man rechnen. Wir kommen jetzt in eine heiße Phase, die Beanspruchung aller Beteiligten wird steigen. Die Hauptperson ist derweil guter Dinge und freut sich, dass sie in der Klinik wieder mit Annalena durch den Flur tollen kann.

Zoo, Frischluft, Leselust

Steffi hat ihr persönliches Wochenende am Samstag bei den Pferden gefeiert. Stella, Clara und Papa haben den klimatischen Frühlingsbeginn heute mit einem zünftigen Zoobesuch begangen, um sich dort an den possierlichen Jungtieren zu erfreuen – und natürlich an Spielplatz, Eis und Eisenbahn, aber die gibt’s ja immer.
Danach ging Stella auf den Kindergeburtstag von Marlene, während Clara und Papa auf Spritztour mit einem vierzig Jahre alten Porsche 912 eingeladen wurden. Das fühlt sich ungefähr so an, wie wenn man einen VW Käfer mit einem Raketentriebwerk verstärkt, auch akustisch. Clara geht die Liebe zur Schönheit von Motoren und Maschinen etwas ab, trotzdem wird sie bestimmt morgen im Kindergarten eifrig von dem Erlebnis erzählen.
Während Clara vor Selbstvertrauen strotzt und wirklich bald in die Schule gehört, müht sich Stella etwas und glänzt nicht gerade durch Bestnoten. Lesen und Schreiben müssen wir jetzt gezielt üben, eine Baustelle, mit der ich nicht unbedingt gerechnet hatte. Man hat gehört, dass manches Achtjährige schon Harry Potter liest. Aber wir sind alles keine Schnellzünder. Karl May habe ich erst mit zwölf verdaut, und bis ich John Irving entdeckt habe, bin ich immerhin 43 Jahre alt geworden. Übrigens eine echte Bereicherung.

Montag, 24. März 2008

Ostern vorbei

Ostern ging es auf und ab. Samstag Abend, die Tungs waren gerade zu Besuch, bekam Greta starkes Nasenbluten und musste ambulant in die Klinik. Sonntag auch wieder. Die Thrombozyten befanden sich auf einem ähnlichen Wert wie die SPD in aktuellen Umfragen. Heute, Montag, auch Klinik, zum Glück nur zwei Stunden. Jetzt hat Greta Urlaub bis Donnerstag, wenn nichts dazwischenkommt. Mitte nächster Woche soll der sechste Chemoblock beginnen. Ob sich die Blutwerte so rasch erholen, bleibt freilich abzuwarten.
Stella hat derweil seit langer Zeit mal wieder einen Zahn verloren, einen großen Eckzahn, der schon lange wackelte und schließlich ganz von alleine nachts herausgefallen ist.

Rooneys Geburtstag


Raúl Cristiano Hamilton Lope de Vega Rooney Bravo, geboren am 24.3.2003 in Stratford-upon-Avon

Sonntag, 23. März 2008

Claras Geburtstag am 5. März

Drei Schwestern


Clara Carlotta, neuerdings sechs Jahre alt







Kindergeburtstag in der Malschule


Freitag, 21. März 2008

Ostern

Karfreitag ist natürlich noch nicht Ostern, sondern erst am Sonntag. Hier im Osten machen sie da keinen Unterschied, wünschen sich arglos schon am Karfreitag „frohe Ostern“, nur froh, ein paar Tage frei zu haben.
Was passiert eigentlich mit Kindern, die ungetauft sterben? Gibt es noch den Limbus? Oder kann man heute auch ungetauft in den Himmel? Und macht man bei Kindern eine richtige Beerdigung? Mit Freunden und Verwandten? Aber viele Freunde hat ein kleines Kind ja noch nicht. Früher gab es auf den Friedhöfen extra Säuglingsecken, eine innerhalb der Mauern und eine knapp außerhalb des Friedhofs für diejenigen, die es nicht einmal bis zur Taufe geschafft haben. Heute gibt es diese Ecken nicht mehr, weil kaum noch Kinder sterben. Auch wenn mir diese Welt eher fremd ist: Ich freue mich, von ein paar Menschen zu wissen, die für Greta beten. Wenn wir wieder mehr in Feierstimmung sind, lassen wir die Kinder taufen. Mindestens die Großen haben inzwischen ein echtes Interesse daran.
Wie es sich gehört, werden wir Ostern in Familie machen, wozu auch Familien- und Freundesbesuch gehört. Wir sind froh, dass wir immer noch einen „offenen“ Haushalt führen. Mag sich die Infektionsgefahr für Greta dadurch in Summe leicht erhöhen. Aber die Freunde und Verwandten tun uns allen gut.
Steffi ist zum Reiten, die Kinder schauen sich einen Film an. Greta ist eine knappe Woche nach Ende des fünften Chemo-Blocks guter Dinge und zuhause, ohne auffallende Symptome. Wie sich das Blutbild in den nächsten Tagen entwickelt, bleibt abzuwarten. Morgen muss sie zum Test in die Ambulanz, was für Steffi meist einige Stunden Warterei bedeutet. Aber in Geduld müssen wir uns ohnehin üben.

Sonntag, 16. März 2008

Pflicht und Kür

Der Dienst im Krankenhaus war diesmal wieder fast die pure Erholung. Überhaupt mache ich die Erfahrung, dass mein Leben zwar in Summe immer anstrengender und immer leistungsverdichteter wird, dass die Seele sich aber auch neue Freiräume schafft, indem sie den Charakter bestimmter Verrichtungen einfach umwertet und neu definiert. Zuerst waren es nur das Bügeln und das Joggen, die von „Arbeit“ auf „Erholung“ umgewidmet wurden, dann Einkaufen, Spülen und Essenkochen. Später Wäsche sortieren. Im Laufe dieses Jahres sind die Krankenhausbesuche bei Greta hinzugekommen, die mich letztes Jahr noch ziemlich genervt haben. Und jüngst war es die Steuererklärung, die ich erstmalig als wirklich erholsam empfunden habe.
Mein Vater und andere Männer dieser Generation haben immer erzählt, datt se im Kriech jelernt hätten, immer und überall zu schlafen, wenn sie die Gelegenheit dazu gehabt hätten. Inzwischen weiß ich, was damit gemeint ist.

Weiße Handschuhe

Der fünfte Chemoblock läuft seit Mittwoch. Langsame Blutbilderholung und ein Infekt haben diesmal eine Woche Zeit gekostet, was gerade noch in der Toleranz ist. Diesmal haben die Medikamente Greta anfangs doch auf den Magen geschlagen, aber die richtige Dosierung Vomex in der ständig laufenden Kochsalzlösung hat diese Nebenwirkung beseitigt. Nun ist die Kleine wieder fröhlich und aktiv, wie man sie kennt. Auffallend besser geworden ist ihre Beweglichkeit zu Fuß. Es ist nur wenige Wochen her, dass Greta auch im Krankenhaus Entfernungen von über zwanzig Metern lieber auf dem Dreirad oder auf dem Arm eines Erwachsenen zurückgelegt hat. Dies ist nicht mehr so. Endlich rennt sie ausdauernd über den Flur wie ein richtiges Kind. Die Knochenmetastasen in den Beinen waren es, die Schmerzen und Beschwerden verursacht hatten, welche schließlich zur positiven Diagnose führten. Natürlich läuft auch Greta etwas unsportlich über den großen Onkel. Aber das hat mit dem Krebs nichts zu tun, sondern ist klar schmalspezifisch.
Einen hohen Stellenwert hat im Moment der Luftballon, voranzutreiben vorzugsweise mit dem Fuß auf dem Gang. Bei Dreijährigen spielt der Luftballon ja eine entscheidend wichtige Rolle beim Erwerb eines soliden Ballgefühls. Leider zeigte das gelbe Exemplar, das ich heute morgen einzig mitgebracht hatte, keine guten Lufthalteeigenschaften, so dass wir gegen Mittag ein Problem bekamen.
Doch im Krankenhaus gibt es Gummihandschuhe, sogar in großen Mengen, zum einmaligen Gebrauch. Das Material ist ganz ausgezeichnet und wird in der Luftballonwertigkeit vermutlich nur noch von Präservativen übertroffen. Die fünf Fingerchen, die in die Luft ragen wie die Zitzen eines Kuheuters, stören nicht groß, sondern bringen einen angenehmen kleinen Überraschungseffekt ins Fußballspiel. Die Reißfestigkeit aufgeblasener Gummihandschuhe hat noch keiner wirklich erprobt, wahrscheinlich könnten ein Schneehase, ein Fuchs, ein Dachs und ein Bär in einem einzigen von ihnen Platz finden. Was sie allerdings nicht vertragen, diese Erfahrung musste Greta vorhin machen, ist, mit dem Kugelschreiber bemalt zu werden. Sie zerplatzen dann mit einem sanften „Puff“, sind also auch in der Hinsicht ihres Sterbens kinderverträglich.

Sonntag, 9. März 2008

Tabellenführer

Greta ist leicht erkältet, und die Blutwerte sind mäßig. Leukozyten und Thrombozyten erholen sich nur langsam. Deshalb wird sich der Beginn des fünften Chemoblocks wohl um insgesamt eine Woche (Mittwoch) verzögern, was nicht gut, aber gerade noch in der Toleranz ist. Die Kleine muss jetzt immer gegen Abend in die Klinik, um ein Antibiotikum zu bekommen, am Morgen prüfen sie dann das Blut und schicken sie über den Tag nach Hause. Der Rhythmus ist nicht optimal.
Heute hat Clara ihren Geburtstag gefeiert mit sieben FreundInnen (Fotos folgen nach). Kindergeburtstage sind bei uns traditionell ganz angenehme Veranstaltungen, weil Steffi da ein unnachahmlich lockeres Event-Management betreibt. Trotzdem wollte ich mich für alle Fälle mit Greta in die Klinik verabsentieren. Das ging aber schief, weil sie sich weigerte, mit mir mitzugehen. So warteten wir die Meute ab, die aus der Töpferschule kam, und fütterten sie mit Pizza, Eis und Bionade ab. Alle hatten Spaß, und die Gastgeberin verschwand irgendwann mit ihrem hartnäckigsten Verehrer. Wegen der Jungens werde ich mir demnächst ein Luftgewehr kaufen müssen. Zum Glück ist Stella ziemlich keusch, bei Greta weiß man das noch nicht so genau.
Angesichts der Tatsache, dass auch Fortuna Düsseldorf endlich dort steht, wo der Verein hingehört, kann man den Sonntag als gelungen bezeichnen.

Samstag, 8. März 2008

Verzögerung des fünften Chemoblocks

Stella meinte gestern beim Abendessen, es sei doch besonders ungerecht, dass der Krebs ausgerechnet eine Dreijährige erwischt habe. Ich entgegnete, dass dies doch gegenüber der Erkrankung eines älteren Kindes immerhin gewisse Vorteile habe, weil ein Dreijähriges sich der langfristigen Tragweite des Geschehens nicht bewusst sei. Im Übrigen sei ich geradezu froh, dass es nicht eine von den Großen, also Stella oder Clara, getroffen habe. Das machte die beiden nachdenklich, und Stella meinte dann, sie würde wirklich nicht gerne Krebs kriegen. Clara pflichtete dem bei. Das größte Problem sei nämlich, so beide unisono, dass das doch ziemlich blöd ausschaue, wenn man mit Glatze herumlaufen müsse.
Greta ist in der Klinik. Der Beginn des fünften Chemoblocks verzögert sich allerdings um ein paar Tage, weil das Blutbild noch nicht gut genug ist. Die Regeneration der durch die Chemotherapie mitzerstörten Blutkörperchen erfolgt von Mal zu Mal langsamer, deswegen kann man die Therapie auch nicht endlos fortsetzen. Steffi war also gestern, Freitag, mit Greta in der Klinik, eigentlich um die Chemo wieder einsetzen zu lassen. Die Blutwerte sprachen aber dagegen, und als sie gerade wieder nachhause gehen wollten, schlug das Thermometer aus, obwohl Greta den ganzen Tag über sehr lebhaft war. Nun ist sie also mit irgend einem Infekt (kein Wunder im Moment) in der Klinik und wird hoffentlich fit gemacht für die Fortsetzung der Chemotherapie am Montag.

Sonntag, 2. März 2008

Parallelwelten

Ruhiger Wochenendausklang, Vater hat seine erste Wochenendtagung unter veränderten Bedingungen hinter sich gebracht, obwohl der Sturm den Zugverkehr doch arg gebremst hat. Clara ist wieder krank, liegt schon seit gestern mit Fieber und Verdauungsstörungen im Bett. Morgen wird also wieder das Betreuungsproblem auftreten, denn Steffi muss mit Greta in die Klinik zum Blutwerte-Test, eventuell mit anschließender Blutkonserve. Das kann sich über den halben Tag hinziehen. Vorhin war erstmalig Ute da, eine Studentin und ehemalige Pferdebekannte aus Braunschweig. Ute wird morgen Vormittag einspringen und vielleicht regelmäßig einen Nachmittag in der Woche die Betreuung von Stella und Clara übernehmen. Greta ist nach wie vor erstaunlich fit. Bisher ist sie nicht von Clara und nicht durch Steffis Schnupfen angesteckt worden – trotz Zelltiefs. Aber die Blutkonserven und rückenmarksaktivierenden Spritzen tun ihre Wirkung. Steffi hat das Spritzen inzwischen ganz gut drauf, das Schwierigste daran ist, Greta halbwegs im Guten zur Hinnahme zu bringen. Dabei gibt es inzwischen Lokalanästhetika in Pastenform, die dazu führen, dass dieser subkutane Pieks gar nicht mehr spürbar ist. Greta sieht das allerdings etwas anders.
Ihre Lieblingsbeschäftigung sind im Moment Rollenspiele. „Nur so tun als ob“ ... ich ein Drachen bin oder ein Fohlen, oder ob die Fee gerade vor dem Tiger gerettet wird. Oft sind es Filmszenen, die der Erwachsene auf genaue Anweisung mit ihr nachspielen muss. Wenn’s nicht klappt, geht’s von vorne los. Das ist zuweilen anstrengend. Wahrscheinlich führt vor allem das Krankenhauseingesperrtsein zu dieser Bildung von Parallelwelten, die dann in der Phantasie das Spielzeug und die Spielgefährten ersetzen.