Sonntag, 22. Februar 2009

Urlaub im Norden

Die erste Reise der ganzen Familie seit November 2007 war erfolgreich und sehr erholsam. Die Großeltern haben uns verwöhnt, Mutter durfte shoppen gehen, Vater die Beine hochlegen. Für Greta gab es neben Vettern, Hunden, Kaninchen und Garten eine große elektrische Eisenbahn, mit der sie spielen konnte – immer so lange, bis sie die Gleisanlagen in einem Wutanfall wieder zerstört hat.
Einen Tag war der Schnee gerade so, dass die ganze Familie im Garten rodeln konnte. Ich war so ferienmütig gestimmt, dass ich mir gleich mein erstes Paar winterfester Schuhe seit den Bundeswehrstiefeln zugelegt habe, geeignet auch für sommerliche Berggänge.
Greta hat diesmal ihre Uroma kennen gelernt. Die hochbetagte Dame möchte noch so lange leben, bis die Urahnin wieder gesund ist. Das ist in jedem Fall ein guter Vorsatz, da die Ärzte sicher noch ein paar Jahre mit einer vollends positiven Aussage warten werden. Greta ist der Uroma sofort auf den Schoß gesprungen. Wen sie mag, den mag sie halt.
Die langen Fahrten waren beide erfreulich leicht, die Kinder sind nun doch schon ziemlich groß. Das Gespräch drehte sich zum Beispiel darum, ob es bei Nena heißt: „Der Eisbrecher bricht kein Eis“ oder „Der Eisbecher kricht kein Eis“. Freunde in Kiel haben doch tatsächlich behauptet, dass Greta sächselt! Sie ist ja auch diejenige, die durch die Klinik-Aufenthalte am intensivsten mit autochthonem Volk Umgang hatte.
Der Osten ist schon komisch. Kiel ist nun nicht unbedingt eine westdeutsche Boom-Town mit seinen Werften und den vielen Kühen drumherum. Aber es gibt wenigstens Leute dort, Spitzensport, richtige Ausländer, volle Geschäfte. Dann fährst du nach Leipzig über leere Autobahnen, gehst Samstag Nachmittag noch einkaufen in den leeren Aldi und denkst dir, was nützen Fontane-Land und Weimar, wenn die Leser alle im Westen sitzen? Wenigstens hat Cottbus gewonnen.

Sonntag, 15. Februar 2009

Mitten in den Ferien

Der Bluttest am Freitag brachte gute Werte. Die Lymphozyten sind ok, es gibt keine Hinweise darauf, dass Neuroblastomzellen im Knochenmark sind. Der Leukozytenwert ist schon bei zwei Dritteln vom üblichen Niveau, was eine weitere Stabilisierung des Immunsystems bedeutet.
Papa kam gestern Abend, wie es sich gehört, völlig erschöpft und vergrippt von der Messe in Hannover zurück. Die Kinder haben das zeitweilige Halbwaisentum gut ausgehalten und sind dazu übergegangen, alle drei im selben Zimmer zu schlafen. Steffi hat am Samstag ohne mich einen besonders gelungenen Geburtstagsbrunch veranstaltet.
Auf einer Messe für Lernmittel, Grundschul- und Kindergartenausstattung gibt es zum Glück viel Spielzeugs zu kaufen. Die Kinder haben luftballongetriebene Propeller und magnetische Quietsch-Eier dankbar angenommen. Da letztere ihren vollen Zauber erst beim paarweisen Wurf in die Luft entfalten, sorgten sie sofort für Macken im Parkett und zwei kaputte Teller. Väter neigen ja zu dynamischem Spielzeug. Zum Glück habe ich mich auch zum Erwerb von Deutsch- und Mathe-Lernhilfen überreden lassen, das wirkt seriös.
Claras zweiter Schneidezahn ist ausgefallen. Da sie sowieso lieber Eierkuchen und Eis statt Schwarzbrot und Schnitzel isst, braucht sie sich nicht einzuschränken und ist eher stolz auf den neuen, Entwicklung zeigenden Zustand. Bei den Alten ist das anders. Morgen bekomme ich meine neue Krone, danach geht es nach Kiel. Eine Woche Urlaub oder was man so nennt.

Sonntag, 8. Februar 2009

Leben ohne Katheter?

Das wochenendliche Frühstücksei steht bei uns in hohem Ansehen. Seit Ostern hat sich dabei lose der Brauch gehalten, im Eierkampf zu schauen, wessen Schale zuerst bricht. Besonders Greta liebt das. Heute früh wurde ihre Aufforderung zum Kampf allerdings ignoriert. Da ließ sie ihr Ei kurzerhand an Claras Stirn aufkrachen, was diese recht betreten dreinschauen ließ.
Kommenden Freitag den Dreizehnten muss Greta zum Lymphozytentest. Diese Leukozytenart sagt besonders viel über den Zustand der Abwehrkräfte aus. Sollten die Ergebnisse gut sein, dürfen Pflanzen und Haustiere wieder Einzug halten. Kater Benni wird man aber erst mal fragen müssen, ob er wirklich in die Stadtwohnung zurück will.
Am 11.03. wird Greta in Jena vorstellig, dann ist die Stammzelltransplantation 200 Tage her. Das gilt als wichtiger Zeitpunkt. In Jena werden sie das Kind untersuchen, alle Ergebnisse zusammenfahren, und dann kann es sein, dass eine Entfernung des Katheters terminiert wird. Dies ist traditionell der Moment, wo die Krebskinder sich von ihren Spielgefährten in der Klinik verabschieden und die Eltern zuhause den Sekt aufmachen. Danach könnte Greta Schwimmen gehen und eigentlich auch wieder in den Kindergarten. Wir lassen die Dinge ruhig auf uns zukommen.
Der allgemeine Gesundheitszustand der Familie ist niedrig. Alle sind verrotzt, Claras Husterei kostete Steffi große Teile des Nachtschlafs, dafür war ihre Stimme am Morgen fast weg. Papa kriegt seine zweite Krone. Wenigstens ist der Zahnarzt jetzt ok. Der erste war eine Katastrophe. Kein Amalgam, stattdessen Steinzement, der gleich wieder herausfiel. Und für jedes Kinderloch mit Kunststoff 40 Euro in bar. Dafür jede Menge tolle Angebote für noch schönere Zähne und ein Bildschirm mit Zierfischen über dem Behandlungsstuhl.
Die Halbjahreszeugnisse brachten Licht und Schatten, bei Stella eine Eins in Deutsch und eine Drei in Mathe. Das Problem ist erkannt, wir arbeiten dran. In Claras erster Beurteilung steht drin, dass sie sich „meist für das Unterrichtsgeschehen interessiert“ und dass das Kind sich darum „bemüht, mit ihren Schulbüchern ordentlich umzugehen“. Soll sie wohl.
Ich habe heute zwei Stunden Auszeit nehmen und meine Bibliothek aufräumen können, die immer wieder von den Kindern verwüstet wird. Lest mal ruhig alle den Tellkamp. Es passiert zwar nicht viel, aber man ist traurig, wenn man das Buch weglegen muss. Eines sei vorab verraten: Am Ende kommt die Wende.

Sonntag, 1. Februar 2009

Neuschnee

Der Winter hört einfach nicht auf. Greta ist heiser, Clara hat Schnupfen, Stella liegt seit dem Mittag im Bett. Nur Steffi lässt sich nicht unterkriegen und verbringt trotz Schnee und Eis halbe Tage bei den Pferden.
Ich bin auch angegrippt und habe heute versucht, mich trotz Kindern zu schonen. Außerdem muss ich den Tellkamp durchhaben, bevor ich übernächste Woche zur Didacta nach Hannover fahre. Nichts ärgerlicher, als auf Reisen zu gehen mit einem dicken Buch, von dem nur noch wenige Seiten zu lesen übrig sind. Aber die Lektüre ist eine überwiegend angenehme Pflicht. Nach den unermesslichen Vorschusslorbeeren, die der „Turm“ bekommen hat, habe ich inzwischen schon von Leuten gehört, die das Buch nach 100 Seiten weggelegt haben. Richtig ist, dass man sich ungefähr auf Seite 530 anfängt zu fragen, wo es denn nun hingeht und wann die Action beginnt. Und Thomas Mann hatte doch deutlich mehr Humor.
Ich höre Clout – so schreiben die sich, kommen aus Südafrika und singen so ähnlich wie ABBA – weil mir wunderbarerweise eine Best-of-CD zugeflogen ist. Es gibt wirklich gute Menschen.
Greta hat heute wieder einen Zwei-Wochen-Block Retinsäure hinter sich gebracht. Nun wieder zwei Wochen Pause damit, dann ein weiterer Block. Dann eine längere Pause und danach noch drei Blöcke, das wars. Klingt alles so einfach. Der ärztliche Bericht von MRT und Szintigraphien liest sich nicht so positiv wie zuvor dargestellt. Hier ist von mehrfachen geringen Anreicherungen des radioaktiven Markers zu lesen, vor allem in einer Niere (wo sich allerdings auch die Ausscheidungen sammeln). Aber dass die Reste noch da sind, war ja bekannt. Gut, dass wir im Grunde diesen ganzen medizinischen Kram nicht verstehen.
Nächste Woche streiken die Lehrer, in Sachsen sind das nämlich keine Beamten, sondern Angestellte – zumeist in Teilzeit, weil sie sich die wenigen Kinder teilen müssen. Stellas Defizit in Mathe muss jetzt ganz schnell nach ganz oben auf die Agenda, sonst hat sich die Option Gymnasium bald erledigt.