Montag, 31. Dezember 2007

Frohes Neues Jahr - und danke für die tolle Unterstützung!



Ein Lichtblick

Zum Jahresabschluss dann doch noch eine erfreuliche Nachricht aus der medizinischen Abteilung: Entgegen anfänglicher Erwartungen der Ärzte hat der histologische Feinbefund (Gentest) in Köln keine MYCN Amplifikation nachgewiesen. Das bedeutet, dass Gretas Neuroblastom nicht ganz so bösartig ist, wie es hätte sein können. An der Therapie und allen damit verbundenen Risiken ändert das nichts, aber die spätere Rückfallwahrscheinlichkeit ist deutlich geringer ohne das „Killergen“, insofern hat sich unsere Prognose um ein paar Prozent verbessert.
Inzwischen hat der zweite Chemoblock angefangen, den Greta bisher wieder gut verträgt. Sie war heute recht munter und hat zeitweilig Spaß daran gefunden, sich selber das Haar büschelweise auszureißen. Der Rest der Familie wird zusammen mit Susanne, Klaus und Anna Silvester feiern gehen.

Freitag, 28. Dezember 2007

Zwei Tage Heimaturlaub

Greta ist für zwei Tage zuhause, einerseits zur Erholung, anderseits, weil die Kasse nur abgeschlossene (Teil-)Behandlungen erstattet und keine dauerstationären Patienten haben will. Also Entlassung und in zwei Tagen wieder Aufnahme. Sonntag Vormittag beginnt der zweite Chemo-Block.
Gestern haben uns die versammelten Ärzte noch einmal ins Gewissen geredet wegen des zerrissenen Katheters und wegen eines vorweihnachtlichen Wutanfalls von zwanzig Minuten, den sie dann mit Valium gestoppt haben, um einer Hirnblutung vorzubeugen. Ich sage, meine Große hätte in derselben Situation mindestens eine halbe Stunde gebrüllt, und denke mir: Habt ihr hier niemals schlecht gelaunte Dreijährige? Auf Dauer ist das wahrscheinlich ein ziemlich sensibles Verhältnis zwischen Eltern und Ärzten.
Greta ist seit zwei Tagen sehr guter Dinge und völlig normal. Nur die Haare gehen langsam aus. Die Geschwister sind kurzfristig glücklich vereint und sehr fröhlich miteinander.

Achtzig Stunden

Rechnet man die Erfahrungen der letzten Wochen hoch, wird Greta im nächsten halben Jahr nicht ein Drittel der Zeit zuhause verbringen, sondern bestenfalls ein Sechstel. Das heißt, dass die „Sterilpflege zuhause“ vielleicht doch nicht ganz so schwer wiegt, was etwas beruhigend ist. Vor allem aber heißt das, dass die beiden Erwachsenen der Kernfamilie einschließlich Fahrten durchschnittlich ca. achtzig Stunden in der Woche Betreuungszeit aufbringen müssen, von denen man noch keine zehn Prozent abrechnen kann für jedenfalls immer unplanbare Schlaf- und Fernsehphasen Gretas, in denen die Betreuungsperson vielleicht ein paar Sätze lesen oder ein kurzes Telephonat führen kann.
Man kann sich dem auch nicht entziehen. Sämtliche Kinder dieser Altersklasse auf der KiK 4 werden von morgens bis abends von Eltern betreut, oft von beiden, wie auch immer die das beruflich hinkriegen. Wahrscheinlich machen viele die Betreuung zum Beruf. Man kann auch Lohnausfallzahlungen bei der Krankenkasse beantragen.
Was wir wahrscheinlich vergessen können, ist, eine dritte Betreuungsperson in der Klinik zu installieren. Die drei Großfamilienmitglieder, die dafür in Frage kämen, wohnen alle zu weit weg und bräuchten zu lange, um mit Greta warm zu werden. Bleibt die Frage, was passiert, wenn einer von uns Eltern krank wird.
Achtzig Stunden die Woche, von insgesamt 336 Wochenstunden, die unser beider Leben ausmachen. Mindestens fünfzig davon wird Steffi absolvieren. Wenn wir mit dieser Phase durch sind, werde ich meiner Frau noch ein Pferd kaufen müssen.

Dienstag, 25. Dezember 2007

Improvisiertes Weihnachtsfest

Greta wird über Weihnachten komplett in der Klinik bleiben. Die Blutwerte sind zwar auf dem Weg zur Normalität, aber das Risiko einer Infektion ist immer noch hoch, und am 27.12. soll der zweite Chemoblock einsetzen. Jeder eingehaltene Termin ist ein kleines Stück Erfolg.
Dafür ist unser Weihnachtsfest nun arg zerfahren, und das geht auch nicht spurlos am Rest der Familie vorbei. Clara hat nach immerhin halbwegs traditionell erfolgtem Weihnachtsgesang und Bescherung in der Feuerbachstraße klar formuliert, dass Weihnachten einfach keinen Spaß macht ohne Mama und Greta. Die Feier war diesmal so improvisiert, dass der Hauptverantwortliche es gerade noch rechtzeitig geschafft hat, die nötigen Liedtexte aus dem Internet zu ziehen.
Greta war gestern in der Klinik ziemlich übellaunig und hat in einem Wutanfall ihren Katheter zerrissen. Beim Personal macht man sich so nicht nur Freunde, aber die Schwestern sind für ihre Geduld wirklich zu bewundern. Am Nachmittag dufte Greta dann immerhin die Isolation ihres Zimmers verlassen, ins Spielzimmer gehen und dort mit den vier anderen verbliebenen Kindern ein wenig feiern.

Sonntag, 23. Dezember 2007

Weihnachten wackelt

Seit gestern Mittag ist Greta wieder in der Klinik. Das Blutbild war so schlecht, dass man sie nicht mehr herausgelassen hat. Einen leichten Infekt mit etwas Fieber hat sie sich auch gleich eingefangen, der ist aber schon wieder unter Kontrolle.
Greta war ziemlich schlecht drauf heute. Gegen die Einnahme der Abendtabletten hat sie sich zunächst erfolgreich gewehrt, trotz Anwendung von Gewalt. Aber zum Schlucken kann man niemanden zwingen. Nach längerem Wutanfall schauten zwei Stofftiere, belebt von den wunderbar geübten Schwestern, zur Tür herein, danach besserte sich die Stimmung etwas. Die Stofftiere sind gesponsert von McDonalds, die auch diese Herbergen „Ronald McDonald“ fördern, in denen Angehörige von krebskranken Kindern sich günstig in unmittelbarer Nähe der Klinik einquartieren können. Krebskranke Kinder sind für Wohltäter und professionelle Menschenfreunde aller Art so etwas wie die Robbenbabies für Naturschützer.
Weihnachten in der Klinik wird immer wahrscheinlicher. Vermutlich wird Greta dort mit Wohltaten überschüttet. Zu allem Überfluss hat sich die Oma aus Düsseldorf einen Schnupfen geholt, so dass der enge Austausch ohnehin nicht ratsam ist. Aber sie kommt mit Opa Jo, zurück in die Stadt, in der sie selbst einmal vor 55 Jahren lebte.
Vetter Roland ist zu Besuch. Mittags bei schönstem Winterwetter Fußball mit Stella, Clara, Franziska und Josef auf der Rosenthalwiese. Es gibt immer noch viel Normalität zwischendurch.

Dienstag, 18. Dezember 2007

Wieder zuhause

In der Klinik gab es heute noch eine große Weihnachtsfeier mit Eltern, Personal und Kindern, danach habe ich Steffi und Greta abgeholt. Die Kleine war den Tag über sehr gut gelaunt und gar nicht so sicher, ob sie wirklich nachhause wollte oder doch lieber noch in der Klinik bleiben. Den ersten Chemo-Block hat sie schon mal gut vertragen, ein kleiner Schritt auf einem Weg, der noch verdammt lang und steinig sein wird. Es werden sehr viel schwierigere Phasen kommen. Aber immerhin.
Nun soll Greta erst mal bis 27.12. zuhause sein, und wir hoffen sehr, dass sie das "Zelltief", also die jetzt erst voll einsetzende Absenkung der Anzahl weißer Blutkörperchen, die die Schwächung der Abwehrkräfte mit sich bringt, ohne Infekte übersteht. Mit Fieber muss sie sofort wieder in die Klinik.
Inzwischen haben die Schwiegereltern die Wohnung enorm auf Vordermann gebracht, vieles neu arrangiert, so dass es jetzt leichter fallen wird, strenge Ordnung und Hygiene einzuhalten. Morgen kommt zum ersten Mal eine potenzielle Haushaltshilfe. Das Auto ist aus der Werkstatt zurück. Wir sind einigermaßen gerüstet.
Ansonsten habe ich jetzt Urlaub (bis 4.1.) und werde diesen zur Erholung und zur Weihnachtsvorbereitung nutzen.

Bilder aus der Klinik

Greta bei ihrer Lieblingsbeschäftigung

Stella zu Besuch am Krankenbett

Greta mit ihrer Spielgefährtin Annalena
Greta in ihrer neuen Zweitheimat


Montag, 17. Dezember 2007

Greta und Benni




Sonntag, 16. Dezember 2007

Servus Benni!

Gestern hat Steffi tatsächlich unseren Kater auf den Pferdehof gebracht, ein harter Schritt, aber leider unumgänglich. Den Kindern gegenüber war das ganz gut zu kommunizieren: Benni macht Urlaub auf dem Lande. Benni musste mal raus. Benni möchte lieber auf dem Bauernhof leben, wo er viele Mäuse fangen kann, usw. Die Großen haben bisher kaum ein Wort darüber verloren. Benni wird schon durchkommen, er ist jung und gesund, hat schon in verwöhnten Hauskaterzeiten jede Menge Mäuse und Vögel gefangen.
Schlechter steht es um Billi, unseren zugelaufenen Kostgänger, der uns nicht richtig gehört. Dem haben wir einfach das Fenster zugemacht und das Futter draußen hingestellt, natürlich würde er sich gerne weiterhin bei uns aufwärmen. Aber der alte Stromer ist ganz schön lebenstüchtig, beherrscht er doch sogar das Kunststück, mit einem gezielten Sprung an die Klinke geschlossene Zimmertüren zu öffnen!

Kindergeburtstag

An diesem Wochenende war ich besonders viel bei Greta. Am Samstag fand nämlich der Kindergeburtstag von Stella statt, den Steffi traditionell mit großer Umsicht hinter sich bringt, diesmal unterstützt von der Schwiegermama.
In der Klinik war es eigentlich ganz harmonisch. Der übliche Begrüßungswutanfall, wenn ich morgens in der Tür stehe („MAMA SOLL KOMMEN !!! PAPA HAUSEGEHN !!!“) war am Sonntagmorgen schon deutlich reduziert. Wir frühstücken dann zusammen, erzählen uns was und gehen ins Spielzimmer oder spielen Maumau mit Annalena, der Zimmergenossin. Ich bin sogar über meinen Schatten gesprungen und habe das dreißig Jahre alte Interflug-Kartenspiel von meinem Onkel aus dem Verkehr gezogen und ein neues, besser krankenhausgeeignetes Blatt zum Einsatz gebracht. Greta macht inzwischen rasche Fortschritte im Erwerb zentraler Kulturtechniken: Sprechen, Kartenspielen, Aufdentopfgehen, Nutellabrötchenschmieren, all diese Dinge, in denen sie in den letzten Monaten einen gewissen Nachholbedarf angesammelt hatte, gehen jetzt gut voran. Man könnte meinen, der Klinikaufenthalt bekommt ihr gut. Sie war heute besonders lebhaft, hat es kaum im Bett ausgehalten, während der aufoktroyierten Mittagsruhe schon gar nicht, hat sich mit ihrem Vater geprügelt und hat mit Annalena mit dem Dreirad regelrechte Stockcar-Rennen auf dem Flur veranstaltet. Für die Betreuungspersonen, die mit dem fahrenden Tropfgestell auf drei Meter Abstand hinterher müssen, ist das nur begrenzt lustig. Auch das Medikament Etoposid, das sie seit gestern bekommt, verträgt sie problemlos.
Für mich ist so eine längere Betreuungsphase am Stück durchaus angenehm, besser jedenfalls als wenn ich unter der Woche nachmittags nach der Arbeit noch schnell in die Klinik springe. So kann ich mich ganz auf den Rhythmus einstellen und auf das Kind. Ich habe mich noch nie so ausführlich mit meiner Jüngsten beschäftigt wie jetzt. Und es ist ja keineswegs so, dass diese Krankenhausaufenthalte nur qualvoll wären. Schließlich sind die wichtigsten körperlichen Bedürfnisse dort leicht zu befriedigen, und die Eltern bilden rasch eine Solidargemeinschaft. Oft haben Eltern, Schwestern und Kinder einfach Spaß miteinander.

Weihnachtsbaum

Wir bekommen schon Wochen vor Weihnachten viele Pakete von lieben Menschen, die uns etwas Gutes tun wollen. Die großen Töchter sind begeistert, und Greta liebt es, meinen Rucksack auszupacken und nach Geschenken zu durchsuchen (und dann welche zu finden). Das Problem: Tagsüber ist selten jemand zuhause, so dass die Nachbarn immer die Pakete annehmen müssen. Nicht alle sind in die Zusammenhänge eingeweiht. Sie werden denken, dass wir entweder einen schwunghaften Versandhandel betreiben (dabei hat Steffi wirklich kaum noch Zeit für Ebay!), oder dass wir einen großen Anlass zur Party haben oder dass wir uns diesmal einfach mit dem Weihnachtsdatum vertan haben.
Heute kam ein sehr großes Paket an, und damit hat es eine besondere Bewandtnis. Zu den Vorsichtsmaßregeln, die wir für die imungeschwächte Greta dauerhaft einhalten müssen, gehört, dass wir keine Zimmerpflanzen, also dieses Jahr auch keinen echten Weihnachtsbaum haben dürfen, obwohl wir ansonsten natürlich alles tun werden, um den Kindern gerade dieses Jahr ein gewohnt schönes Weihnachtsfest zu bereiten. Weihnachten ohne Baum?
Vor ca. 35 Jahren - alte Freunde kennen die Geschichte - begab es sich zum wiederholten Male, dass der kleine Stephan nach Weihnachten in Tränen zerfloss, weil der schöne Baum, seines Schmuckes und seiner Nadeln beraubt, nur noch ein trauriges Gerippe war und weggeworfen wurde. Die Welt war so ungerecht, warum tat man das den armen jungen Bäumen an, dass man sie für ein paar Tage Nutzen hinschlachtete? Die Überraschung: Mein seliger Vater, Jahrgang 1910, hatte irgendwann ein Einsehen und kaufte einen Plastikweihnachtsbaum zum Zusammenstecken, den wir dann viele Jahre in Betrieb hatten. Dieser Baum hat auch die letzten zehn Jahre im Keller meiner Mutter in Düsseldorf überlebt und wird also dieses Jahr ein triumphales Comeback in Leipzig feiern. Auf diese Art kann sich mein alter Herr durch seine gute Tat von damals am Heilungsprozess seiner Enkelin beteiligen.

Mittwoch, 12. Dezember 2007

Die erste Woche Chemo

Greta hängt jetzt seit fast einer Woche am Tropf. Bisher geht es ihr gut damit, es gibt praktisch keine Nebenwirkungen. Allerdings ist dieser erste Chemoblock auch noch nicht repräsentativ. Trotzdem ist es ganz beruhigend. Steffi hat eine leichte allergische Reaktion auf irgend etwas im Krankenhaus, aber zum Glück ist sie dienstfähig. Man kann Greta in den ganz frühen Morgenstunden guten Gewissens dem Personal überlassen, auch das Einschlafen muss - zumindest nach neun - nicht unbedingt abgewartet werden. Aber zehn bis zwölf Stunden sind es doch am Tag, die einer von uns im Krankenhaus ist, und das wird auch so bleiben. Das erste Mal herauskommen wird Greta wahrscheinlich Anfang nächster Woche. Von Weihnachten war noch nicht die Rede.
Die beiden Großen sind wirklich gut drauf. Sie dürfen jetzt immer lange mit ihren Freundinnen spielen, und zuhause herrscht Anarchie. Stella ist nun stolze und sehr umsichtige Schlüssel-Besitzerin. Dass die kleine Schwester nicht da ist, wird zwar bemerkt, aber doch nicht dauerhaft beklagt. Man hat viel mehr Ruhe zum Spielen, wenn der kleine Quälgeist nicht dauernd eindringt. Als wir gestern über Stellas Geburtstagsfeier am 15.12. sprachen, lud sie zwar immerhin mich mit ein, meinte aber auch, dass es vielleicht doch nicht so gut sei, wenn Greta gerade dann aus der Klinik heraus und zuhause sei.
Dennoch hängt auch über den Großen ein Schatten, der manchmal ihr Gemüt verdunkelt, vor allem am späten Abend. Dann denken sie plötzlich über Krankheit und Tod nach. Oft hat das gar nicht direkt mit Greta zu tun. Neulich sagte Clara: „Wenn ich tot bin, kriege ich Kleider angezogen. Andere Leute kaufen diese Kleider dann.“ Nach längerem Raten sind wir drauf gekommen, dass sie nach ihrem Ableben gedenkt, als Schaufensterpuppe Verwendung zu finden. Auch ein interessantes Modell.

Brot und Spiele

Die Ausstattung von KiK 4 ist wirklich gut (http://kik.uniklinikum-leipzig.de/_patienten/stationen_kik4.html). Dort gibt es für jedes der 14 Betten eine Krankenschwester, dazu vier ÄrztInnen und ein Team von Psychologen und Therapeuten. Das Spielezimmer ist mit neuen Spielen bestückt. Wir packten neulich ein doppeltes Puzzle aus, und beide Bilder waren vollständig. Das habe ich zuhause schon lange nicht mehr erlebt. Auf den Gängen hängen üppig bestückte Adventskalender (wahrscheinlich vom Förderverein), so viele, dass die Täschchen von den wenigen Kindern nicht einmal mehr geplündert werden. Manchmal denke ich an den Zuchtkaninchenbau, der Hazel und seine Freunde in „Watership Down“ beherbergt: Dort fehlt es an nichts, der Bau ist groß und warm, immer ist reichlich Nahrung vorhanden – und dennoch sind die Kaninchen so melancholisch drauf. Die Besucher wundern sich, bis sie merken, dass von den Zuchtkaninchen immer wieder eines spurlos verschwindet und dass man genau darüber mit ihnen nicht reden darf.
Das Essen auf KiK 4 ist allerdings die Ausnahme und wird in jeder Hinsicht allen Vorurteilen über Krankenhausessen gerecht. Wen wundert es, dass das Kind keinen Hunger hat, wenn es in der Plastikform eine kalte Bockwurst und eine Scheibe Mischbrot mit einem Döschen Margarine gibt? Auch die Pfannekuchen (immerhin, die mag Greta wenigstens) sehen mehr nach Pappe und Sägespänen als nach Mehl aus, geschweige denn nach Eiern. Der Volltreffer war eine Pizza, die unerwartet bunt unter dem Deckel hervorschaute: leider ein Eisblock. Nein, nicht einfach zu kalt, sondern noch komplett tiefgefroren. Aber immerhin haben die Schwestern immer irgendwelche Zwischenmahlzeiten, Joghurts, selbst Süßigkeiten parat.

Freitag, 7. Dezember 2007

Therapiegespräch

Gestern, Donnerstag, ist die Chemotherapie planmäßig angelaufen. Kurz zuvor gab es das umfassende Therapiegespräch mit Arzt, Psychologe und Krankenschwester. Der Therapieplan sieht zunächst acht Chemo-Blöcke vor, die idealerweise im Dreiwochenrhythmus stattfinden. Die beiden ersten Blöcke (N8) sind die Neuheit des Verfahrens, welches Bestandteil des Kölner Forschungsprojektes ist. Hier kommen Kombinationen zur Anwendung, die traditionell erst bei Rückfall gegeben werden. Der Rest der Therapie-Sequenz ist mehr oder weniger standardisiert und entspricht dem aktuellen Forschungsstand.
Der Ablauf wird ungefähr so aussehen, dass Greta jeweils eine Woche am Tropf hängt, dann, nach kurzer Normalphase in ihr „Zelltief“ kommt (3-5 Tage), was u.a. bedeutet, dass ihr Leukozytenstand so niedrig ist, dass ihre körpereigene Abwehrkraft stark geschwächt bis nicht mehr vorhanden ist. In dieser Zeit sind besondere Vorsichtsmaßnahmen erforderlich. Nach dem Zelltief kommt eine Phase der Regeneration (zuhause), der sich der nächste Chemoblock anschließt.
Die erste Therapiesequenz schließt auch eine OP mit ein, deren genauer Termin vom Erfolg der Chemo abhängt. Dann ist mindestens eine halbes Jahr herum, bei Komplikationen kann es auch deutlich länger dauern. Erst danach kommen die ganz schweren Methoden in Anwendung (Superchemo und Beta-Strahlen).
Die Heilungschancen wurden mit „bis zu 50 Prozent“ beziffert, die Chance auf ein Überleben ohne dauerhafte Schäden auf 30 Prozent. Das ist hart, aber doch besser, als die zuletzt gefühlten 10 Prozent, deutlich mehr auch als das, was man in der Populärliteratur über Neuroblastom, Stadium 4, nachlesen kann. 50 Prozent ist eine faire Chance. Es lohnt sich, die Ärmel hochzukrempeln.
Konkret werden wir jetzt einiges ändern müssen in unserem Haushalt: Die Katzen müssen weg (einige enge Freunde des Hauses werden frohlocken!), die Zimmerpflanzen ebenfalls (viele haben wir ohnehin nicht). Wir sind dringend auf der Suche nach einer Reinigungskraft und schaffen es vielleicht noch bis Weihnachten, den einen oder anderen Umzugskarton auszupacken und seinen Inhalt gleich wegzuwerfen. Beim Essen müssen Bakterien, Pilze u.ä. vermieden werden, die z.B. in nichtgarem Fleisch, schadhaftem Obst und Nüssen auftreten. Unschädlich sind alle Doseninhalte, Tiefkühlkost und zum Glück auch Nutella. Daraus folgt, dass wir unsere Ernährungsgewohnheiten gar nicht groß umstellen müssen.

Greta und ihre Schwestern

im Sommer 2007 in Borkheide.

Mittwoch, 5. Dezember 2007

Greta vor einem Jahr


Es kann losgehen

Greta war heute ziemlich munter, fast in Normalform. Sie hat es sogar einigermaßen hingenommen, dass ich Steffi am Nachmittag abgelöst habe. Das war zuletzt mitunter schwierig. Greta ist ... nun ja, meinungsstark und selbstbewusst. Eine Schwester hat mich vorhin mitleidig gefragt, ob die anderen beiden auch so wären. Ich habe sie erst gar nicht verstanden. Nachdem Stella in diesem Alter schon ein rechter Feger gewesen war, finden wir es ziemlich normal, dass Nr. 3 weitestgehend unregierbar ist. Das bringt bei der stationären Behandlung allerdings gewisse Schwierigkeiten mit sich. Vielleicht ist ihre Energie aber nun langfristig von Nutzen.
Heute ging es ganz konstruktiv zu, wir haben den Nachmittag im Spielezimmer verbracht. Greta liebt es, mit dem großen Bus Playmobilfiguren zu überfahren und diese dann ins Krankenhaus zu bringen. Dann ist sie früh eingeschlafen. Ich kam früh nachhause und muss zugeben, dass der Tag vergleichsweise entspannt war.
Greta ist fit, die OP-Narbe verheilt, morgen wird die Chemotherapie beginnen.

Samstag, 1. Dezember 2007

Diagnose steht

Die Diagnose ist weitgehend abgeschlossen. Greta hat ein Neuroblastom, Stadium 4, Knochenmetastasen, Knochenmarksbefall. Der Befund der Genanalyse liegt noch nicht vor, aber dass es sich um die aggressivere Variante (MYCN) handelt, ist sehr wahrscheinlich. Die Prognose ist nicht gut.
Es gibt bereits einen Therapieplan, der sich über eineinhalb Jahre hinzieht und alle Geschütze auffährt, die die moderne Krebsmedizin kennt: Neben normaler Chemo und OPs gibt es die Superchemo, die das ganze Rückenmark zerstört, das dann durch Eigentransplantation wieder aufgebaut wird (fünf Wochen Jena), sowie eine Intensivbestrahlung, die unter Hochsicherheitsbedingungen für alle peripher beteiligten stattfindet.
Da Greta eine Hoch-Risiko-Patientin ist, wird sie an einem Kölner Forschungsprojekt teilnehmen, in dem neue Formen und Rhythmen der Neuroblastombehandlung getestet werden. Sie wird vor Beginn der eigentlichen Chemotherapie zwei Schübe eines neuartigen Medikaments verabreicht bekommen. Steffi hat Maurice und seine Mutter in der KiK 4 (= Kinderklinik Leipzig, Abteilung 4: pädiatrische Onkologie) getroffen. Der Junge hatte exakt dieselbe Diagnose, ist mit derselben Therapie erfolgreich behandelt worden und kommt jetzt nur noch zur Nachsorge. Das gibt ein wenig Hoffnung.

Donnerstag, 29. November 2007

Greta ist krank

Greta hat Krebs. Wir wissen das seit ca. 20. November 2007. Die Kleine war zuvor Monate lang diffus leidend, hatte häufige Infekte, Knieschmerzen, lief nicht gerne, war ziemlich blass und oft schlecht gelaunt. Es eskalierte, als der Versuch, sie nach ihrem dritten Geburtstag (18.10.) mit Schwester Clara in die Naturgruppe des Kindergartens zu schicken, an offensichtlicher Überforderung des Kindes scheiterte. Steffis Hartnäckigkeit und einem umsichtigen Kinderarzt ist es zu verdanken, dass sie dann sehr schnell an die richtige Stelle überwiesen wurde. Greta wird nun in der Abteilung für pädiatrische Onkologie in der Universitätsklinik Leipzig behandelt.
An einem Neuroblastom (http://de.wikipedia.org/wiki/Neuroblastom) erkranken jährlich ca. 150 Kinder in Deutschland, fast alle unter sechs Jahre alt. Das Neuroblastom ist immer noch schwer zu behandeln, die Prognose liegt insgesamt bei 55 Prozent, ist aber individuell stark abhängig vom Stadium und von der Konstitution des Kindes.
Greta hat einen Tumor von ca. neun Zentimetern Durchmesser im Bauchraum, neben der rechten Niere. Außerdem hat sie Knochenmetastasen, vor allem an den Oberschenkeln und im Beckenraum.

Die Diagnose war ein Schock, wir hatten allerdings nicht lange Zeit, zu jammern oder zu trauern, denn wir mussten schnell zur (stark veränderten) Tagesordnung übergehen. Die Herausforderungen sind beträchtlich, aber auf dieser praktischen Ebene durchaus zu meistern. Ich kann meine Arbeit im Moment flexibel einrichten und mich am Nachmittag um die beiden Großen und den Haushalt kümmern, während Steffi tagsüber ständig in der Klinik ist. Schon jetzt machen wir die positive Erfahrung, dass es sehr viel aktive Teilnahme gibt und Hilfsangebote aus Freundeskreis, Verlag und Nachbarschaft. Auch die Großfamilie wird ins Geschehen eingreifen und uns phasenweise unterstützen, auch wenn alle Beteiligten eine weite Anreise haben.

Die Uni-Kinderklinik Leipzig ist sehr neu, die pädiatrische Onkologie arbeitet anscheinend hoch professionell und genießt überregional einen sehr guten Ruf. Es ist überaus beruhigend, dass die Standortfrage kein Problem darstellt, ja dass der jüngst vollzogene Familienumzug uns jetzt sogar auch auf ganz unerwartete Weise zum Vorteil ausschlagen könnte.

Ich wünsche mir, dass Greta und die ganze Schmal-Familie über diesen Blog mit ihren Freunden in engem Kontakt bleiben können, wir werden aber damit überfordert sein, euch ständig individuell zu informieren. Diese Aufgabe übernehme ich ab jetzt an dieser Stelle. Gleichzeitig sollt ihr die Möglichkeit haben, jederzeit spontan oder vorbereitet, ausführlich oder ganz kurz, diskret oder öffentlich, eure Wünsche, Ratschläge, Aufmunterungen, Grüße, was auch immer, gezielt zu platzieren. Ihr könnt sicher sein, dass ich alles getreulich weitergebe, an Steffi, an die großen Töchter und natürlich ans Krankenbett selbst.

Aktueller Stand:
Am 27.11. haben sie Greta operiert, Rückenmarksproben und ein Stück vom Bauchtumor entnommen. Die Ergebnisse kommen nächste Woche. Es sind noch einige heikle Fragen zu klären, die maßgeblichen Einfluss auf die Prognose haben. Dennoch wird man, sobald die kleine OP-Wunde verheilt ist, mit dem ersten Schritt beginnen: Chemotherapie.