Mittwoch, 31. Dezember 2008

Frohes Neues Jahr!


Der Weiher im Rosental ist zugefroren. Das ist eine Attraktion fürs Viertel. Wir haben die neuen Hockey-Schläger von Clara ausprobiert, bis Stella heftig auf die Knie fiel. Clara wachte heute mit schmerzendem Ellbogen auf. Montag und Dienstag waren Greta und Steffi halbe Tage in der Klinik. Das schlechte Blutbild machte eine Infusion von Thrombozyten notwendig, was aber nicht weiter beunruhigend ist. Freitag muss sie wieder hin. Die Stimmung ist gut. Greta hat ein Zelt geschenkt bekommen, was nun ihren absoluten Lebensmittelpunkt darstellt.
Vetter Roland war zu Besuch und hat aufgedeckt, dass wir immer noch die Telekom-Grundgebühr für Braunschweig zahlen. Dafür geht unser Anrufbeantworter jetzt wieder (sorry!!). Gestern Abend kam dann weiterer Besuch, und es wurde richtig gesellig. In der Nacht habe ich an der ersten Video-Konferenz meines Lebens teilgenommen. Heute geht das so weiter. Die Kinder (und Erwachsenen) haben ihre Freude an dem offenen Haus. Silvester wird 300 m weg in kleinerem Kreis bei Freunden stattfinden, Mitternacht werden wir alle am Liviaplatz stehen und die Luft mit Pulverdampf schwängern.
Puuh, Leute, das war ein verdammt hartes Jahr! Aber wir können zufrieden sein damit, dass es Greta im Moment gut geht und dass wir alle durchgehalten haben – dank eurer phantastischen Unterstützung in physischer und mentaler Hinsicht. Jetzt sind wir sogar alle etwas ausgeruht und können hoffen, dass 2009 ein besseres Jahr wird. Es könnte auch das absolute Katastrophenjahr werden, in dem mit und durch Greta alle Festen unserer Existenz dahinpurzeln wie die Dominosteine. Man darf gespannt sein.
Gut an 2009 wird auf jeden Fall, dass wir 36 Euro mehr Kindergeld im Monat bekommen. Die werden wir gut anlegen – in Haushaltshilfe und Mathe-Nachhilfe für Stella. Leider sind uns in diesem Jahr sämtliche Dienstleisterinnen weggelaufen. Es muss doch ein harter Job sein in dieser Familie. Für nächstes Jahr brauchen wir neue Kräfte.
Immerhin sind wir ordentlicher geworden, seit gestern steht ein Ikea-Schrank in Zimmer Fünf. Diesmal haben wir uns Transport und Aufbau gegönnt. Zwei Herren haben für das Riesending knapp anderthalb Stunden gebraucht. Ich wage kaum darüber nachzudenken, wie viele Tage ich mich und Zimmer Fünf damit blockiert hätte. Man muss seine Kräfte bündeln.

Samstag, 27. Dezember 2008

Weihnachten vorbei

Der Heilige Abend war wirklich deutlich besser als letztes Jahr, nicht nur wegen des Naturbaumes, der dann doch eine gute Figur gemacht hat. Eine vollständige Familie ist schon viel wert. Die obligatorische Gesangseinlage vor der Bescherung hat Greta wenig interessiert. Sie hörte sich das lang ausgestreckt auf dem Teppich liegend an. Die ganze Familie liegt und schläft viel. Die Kinder können den ganzen Vormittag im Bett verbringen, die Strafe für die Eltern erfolgt dann abends nach zehn.
Ich glaube ja, dass ein normaler Arbeits- und Schulrhythmus dem Menschen insgesamt gut tut, aber ich bin auch schon spürbar frischer und ausgeschlafener. Von den Besorgungen und Erledigungen ist nur ein kleiner Teil geschafft, die meisten geplanten Anrufe haben nicht stattgefunden. Eigentlich wie jedes Jahr.
Unter anderem habe ich ein Fachbuch geschenkt bekommen, „Das sprachlose Kind“ von 2008. Der berühmte Onkologe weist mir nach, dass meine Haltung zu Todesgesprächen mit Greta ungefähr in der Generation Freud verankert ist, spätestens seit den Siebzigerjahren heftig umstritten ist und in der Gegenwart auch in Medizinerkreisen mehrheitlich gegenteilig beurteilt wird, weil man nachweisen konnte, dass auch Fünfjährige schon differenzierte Vorstellungen von Leben und Tod haben – und dass sie von Klinik und Krankheit ohnehin viel mehr mitbekommen, als man denkt. Also müsse man ihnen auch reinen Wein einschenken. Die Beispiel-Kinder in dem Buch sind allerdings fast alle deutlich älter als Greta, insofern bin ich noch nicht so überzeugt und würde es einstweilen eher mit den Brüdern Löwenherz halten, wo dem kleinen Karl das Sterben durch eine wunderbare Geschichte aus der kommenden Welt erleichtert wird. Aber vielleicht sind wir ja nächstes Weihnachten immer noch zu fünft.

Dienstag, 23. Dezember 2008

Frohe Weihnachten allerseits!

Die Feiertage können kommen. Ab heute Nachmittag sind Oma Gisela und Opa Jo zu Besuch. Wir haben zwar immer noch keinen neuen Geschirrspüler, dafür aber einen Weihnachtsbaum, der so lange stolz seinen Platz am Verkaufsstand gehalten hat, bis ich ihn gestern erlöst habe. Er hat noch fast alle Nadeln, und man kann ihn so drehen, dass die Löcher im Fell alle nach hinten zeigen. Der Baum war sehr preiswert.
Stella hat am Samstag ihren neunten Geburtstag nachgefeiert, im Bastelstudio in der Wettiner Straße, wo die Kinder ohnehin ein und aus gehen. Greta muss heute noch einmal zur Blutbildkontrolle in die Klinik und wird dann hoffentlich wieder nachhause geschickt. Die MIBG-Szintigraphie ist auf den 07.01. angesetzt, zwei Tage vor dem MRT. Es gibt keine besonderen Gründe dafür, optimistisch zu sein. Schlingensief geht es auch nicht gut. Und Chemie hat ihr letztes Spiel zuhause 0 zu 4 verloren. Immerhin werden die Tage jetzt wieder länger.

Freitag, 19. Dezember 2008

Blanke Nerven

Endlich Schulferien. Der größere Teil der Familie wird sich an das frühe Aufstehen nie gewöhnen können. Stella hatte gestern Abend einen Koller. Ich bin zu dick. Ich kann kein Mathe. Ihr nörgelt an meinen Zähnen herum. Ihr nörgelt an meinem Gang herum. Warum ist Greta immer noch krank. Warum darf ich in der Schule nicht neben meiner Freundin sitzen. Es gibt gerade ziemlich viele Familienmitglieder, die sich in ihrer Haut nicht wohl fühlen.
Greta und Steffi waren heute in der Ambulanz. Gretas Blutbild ist hart an der Grenze zur Verwahrungshaft, und Osteoporose hat sie. Alte Marathonläufer haben das bekanntlich auch. Wäre nur dumm, wenn Greta sich jetzt Komplikationen durch einen Bruch holen würde. Sie ist launisch wie selten. Zehn Wutanfälle am Tag, viel Bettruhe, sehr schmusige Phasen, alles in raschem Wechsel. Clara war heute nach sechs vollen Bett-Tagen teilweise wieder in der Wohnung unterwegs. Bauchweh hat sie aber immer noch. Wahrscheinlich werden jetzt alle immer nervöser bis zum 09.01., auf den das nächste MRT terminiert ist.

Sonntag, 14. Dezember 2008

Halbe Familie krank

Greta hat ein neues Mittel gefunden, auf sich aufmerksam zu machen: Türenschlagen. Das geht so: Wut über irgendeine vermeintliche Benachteiligung in der Küche – Wumm – Küchentür zu, Anklagerede in der Diele – Wumm – Kinderzimmertür zu. Wenn sie gut drauf ist, macht sie das jetzt dreimal in der Stunde. Nun weiß jeder, der einmal versucht hat, zuhause geistig zu arbeiten, dass dies eine sehr abscheuliche Angewohnheit ist. Im Zauerberg ist alles Nötige dazu gesagt worden. Wenn es aber das eigene niedliche kranke Kind ist, dann würdigt man plötzlich dessen Lebenslust. Eltern sind Masochisten.
Wir haben hier ein Lazarett. Clara ist bettlägerig. Ich habe pünktlich zum Urlaubsbeginn die oberübelste Grippe seit Leipzig/Einundleipzig gezogen und vegetiere unterhalb der Leseschwelle im Bett herum. Zum Glück sind die Schwiegereltern da. Freund Andreas war auch da. Und so hat sich der gesunde Teil der Familie auch nicht davon abhalten lassen, gestern Nacht kräftig feiern zu gehen. Urlaub fühlt sich jedenfalls gut an.

Sonntag, 7. Dezember 2008

Warum guckst du so designiert?

Am 5.12. kam ich von der Arbeit nachhause. Die Kinder umsprangen mich und fragten, welche Schuhe ich denn vor die Wohnungstür stellen wolle. Ich war genervt und brummte irgendwas von „... gar keine Schuhe vor die Tür ..., sind nicht in der DDR ...“ Die Antwort: „Aber Papa, weißt du denn nicht, was für ein Datum morgen ist?“ Das überzeugte mich, und der Aufwand hat sich gelohnt. Der Nikolaus, heutzutage offenbar bestens vernetzt, brachte mir die Ehe der Maria Braun in DVD, was ein samstägliches Bildungserlebnis sicherstellte. Ein Stimmungsheber ist der Film freilich nicht.
Fröhlicher macht schon die Aussicht, dass ich noch eine Arbeitswoche habe und dann drei Wochen Urlaub. Und da ich heute einen besonders klaren und wachen Sonntag hatte, haben wir uns ehelich unterhalten und Maßnahmen beschlossen, um endlich die technische Infrastruktur des Haushalts zu verbessern. Winterreifen aufs Auto, Licht an alle Fahrräder, Steffis altes Rad zur Reparatur und was sonst noch so im Alltag liegen bleibt. Es wird einen dritten PC-Arbeitsplatz geben, so dass man in dieser Wohnung gleichzeitig bei Ebay zugange sein, althistorische Rezensionen schreiben und bei spielaffe.de unterwegs sein kann. Normale fünfköpfige West-Familien haben inzwischen sechs Rechner in ihrem W-LAN.
Clara hat uns jetzt mehrmals dadurch in Verlegenheit gebracht, dass sie in Anwesenheit von Greta gefragt hat, ob es immer noch sein kann, dass diese bald stirbt. Grundsätzlich reden wir über solche Dinge, aber nicht unbedingt mit Greta. Es ist doch die Gnade ihrer jungen Jahre, dass sie das mit dem Tod noch nicht richtig versteht, und ich finde, man muss es ihr auch nicht im Detail erklären. So kann man dann dem sterbenden Kind vielleicht bis zum Schluss die Gesundwerdung in Aussicht stellen oder es wenigstens mit Schlaf, Traum oder religiösen Metaphern beruhigen. Ich wäre opportunistisch genug, sofort einen Pfarrer hinzuzuziehen, wenn der gute Geschichten parat hat. Näher liegt die Konsultation des Psychologen, der auf der KiK 4 für solche Probleme bereit steht. Im Moment gibt es gar keinen Anlass, einen schlechten Fortgang der Dinge weiterzudenken, aber sobald die Familie etwas Zeit miteinander hat, kommen diese Themen hoch.

Sonntag, 30. November 2008

November geschafft

Ihr habt sicher gehört, dass Sachsen deutscher Pisa-Sieger geworden ist. Wenn ich an meine Kinder denke, kann ich mich über diese Nachricht nicht wirklich freuen. Hoffentlich bringen wir alle drei Töchter durchs Abitur. Meinem Schwiegervater ist dieses Kunststück auch gelungen. Stella schwächelt in Mathe. Das kann nicht an den Genen der Kieler Sparkassenfamilie liegen. Dafür hat Clara, bisher eher unbelesen, gestern nach dem größten Buch im Haus gefragt. Ich fing schon freudig an, ihr die Atlanten, Lexika und Kunstbände unserer Bibliothek zu erläutern, das war aber ein Missverständnis. Sie nahm den erstbesten Folianten, um ihren Weihnachtsstern darin zu pressen.
Clara war auch heute beim Kinder-Workshop Sternebasteln, ich ging derweil mit Stella und Greta in den Zoo. Es war früher Nachmittag, und wir wollten vor allem Pommes essen, denn die sind im Zoo ziemlich gut. Doch als wir ankamen, waren die Kartoffelspäne aus und schlimmer noch: Die letzten drei Portionen standen am Nachbartisch vor zwei Herren, die aussahen, als brauchten sie gerade ein Katerfrühstück. Die aßen dann aber gar nichts von den Pommes, sondern verfütterten sie original an die Spatzen. Wir schauten zu und knabberten mitgebrachte Kekse, tragisch.
Unser Geschirrspüler ist kaputt. Früher gehörte Spülen zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Ich habe mich sogar mal zu der Behauptung verstiegen, dass ein Geschirrspüler gar nicht viel Zeit spare, weil man ja ein- und ausräumen müsse. Vergiss es! Nach einer Woche Handspülung für fünf Personen freue ich mich sehr auf das neue Gerät.
Auf Nachfrage haben uns die behandelnden Ärzte für dieses Jahr einen echten Weihnachtsbaum zugestanden, also so ein nadelndes, harzklebriges Ding, das meiner Meinung nach mit einem kunststoffenen Baumbausatz gar nicht konkurrieren kann. Ich bin argumentativ klar in der Verliererposition.
Das Fußball-Wochenende war finsterst. Düsseldorf und Köln verloren, beide Leipziger „Spitzenclubs“ mit Heimniederlagen. Nur Cottbus macht Freude, als Wahl-Ossi muss man diese Truppe einfach mit Wohlwollen betrachten. Ach so, Gretas Befinden: normaler Kinderalltag, keine besonderen Vorkommnisse, gut so!

Sonntag, 23. November 2008

Ein Jahr durchgehalten

Genau ein Jahr ist die Krebsdiagnose jetzt alt, und wir fragen uns, ob wir weiter sind. Natürlich sind wir weiter. Der Greta von heute geht es unendlich viel besser als vor einem Jahr. Sie hat sich sogar fast normal entwickelt. Die Familie (Klein- und Großfamilie) hat gezeigt, dass sie zusammenhält, dass sie auch unter massivem Druck langfristig gut funktioniert, weil wir alle ziemlich elastisch sind. Viele alte Freunde haben große Treue bewiesen, neue sind hinzugekommen. Wir erfahren nach wie vor ein hohes Maß an Solidarität, auch vom Staat und seinen Einrichtungen. Unsere intensiven Erfahrungen mit der deutschen Medizin sind weit überwiegend positiv, trotzdem ist die ganze Greta-Geschichte für uns fast kostenneutral. Ein gutes System. Ich bin wieder ein bisschen linker geworden im vergangenen Jahr, wenn schon nicht religiöser.
Die nächsten Diagnose-Schritte – MIBG-Szintigraphie und MRT – sind beide in den Januar verschoben worden, offenbar ist die Dringlichkeit gerade nicht sehr hoch. Die Aussicht ist gefährlich verlockend, dass nun nichts besonderes mehr passiert und Greta einfach weiterhin Tag für Tag gesünder und fitter wird.
Sollte der Tumorrest im Bauch immer noch aktive Teile enthalten, würde man ihn operativ entfernen. Das ist eine gute Nachricht, denn dass dies überhaupt möglich ist, hatten wir zwischendurch schon bezweifelt. Die Ärzte sind nach wie vor sehr wortkarg, es gibt keine tief greifenden Milestone-Gespräche. Onkologen müssen so etwas ja hassen. Wir haben uns daran gewöhnt.
Morgen geht es mit der bislang ganz unproblematischen Retin-Säure weiter. Greta bekommt ansonsten ein Antibiotikum, das Wunder wirkt. Die ganze Familie ist mehr oder weniger erkältet, nur Greta nicht.
Papa muss noch eine Woche viel herumreisen, dann ist es geschafft für dieses Jahr. Letzten Freitag habe ich nur eine Stunde in Frankfurt abgehangen und kein weiteres Krebsbuch entdeckt. Die schweizischen Bummelzüge aus den Sechzigern tun ihren Job in Thüringen ganz gut, selbst die Heizung funktioniert meistens. Wahrscheinlich fühlen sie sich zwischen den Hügeln zuhause. Sind die Schweizer eigentlich unser Brudervolk? So wie die Österreicher? Man weiß das nicht so genau.

Jubiläumsbilder

Mama ist die Größte

Greta und Anna mit ihren Kindern

Vier Basen, eine mit Zahnlücke



Mittwoch, 19. November 2008

Tal der Ahnungslosen

Sachsen hat irgendeinen Feiertag, der jedenfalls gut tut. Wir hängen komplett herum, bügeln, joggen, füttern die Gäule, überlassen die Kinder ihrem dreisamen Vergnügen und den Computern, freuen uns an Greta und denken nicht groß darüber nach, wie es weitergeht. Ich habe gerade Berichte über diese Amerikanerin gelesen, die sich angeblich seit ihrem 14. Lebensjahr an jedes Detail aus ihrem Leben erinnern kann. Toll, denkt man sofort: Literatur in zehn Sprachen lesen, mit echter Allgemeinbildung glänzen, endlich Produktionslisten und Budgets auswendig kennen. Aber Pustekuchen, der Dame scheint ihre erweiterte Hirnfunktion im Leben nicht viel genützt zu haben.
Wenn man es sich recht überlegt, ist die Vorstellung vom absoluten Gedächtnis ziemlich grauenvoll. Ich bin jetzt schon froh darüber, dass mir dereinst große Teile meiner ersten zwei Leipzig-Jahre aus der Erinnerung gerutscht sein werden. Zum Glück kann ich so was gut. Auf einer Party habe ich mal eine Frau getroffen, die wortreich erklärte, rechtfertigte, diskutierte, warum sie zehn Jahre zuvor mit mir Schluss gemacht hatte. Ich hörte mir das an, schaute betroffen drein und versuchte mich an ihren Namen zu erinnern. Vergessenkönnen ist ein großer Segen.
Stella hat eine neue Frisur. Mama hat ihr die etwas amorphen Strähnen abgeschnitten und ihr einen Topfschnitt verpasst, den man vor dreißig Jahren „französisch“ genannt hätte. Steht ihr gut, betont ihr hübsches Gesicht. Bald gibt es Fotos dazu.

Sonntag, 16. November 2008

Bauchbestrahlung vorbei

Morgen bekommt Greta ihre letzte Bauchbestrahlung. Dann geht es mit Retinsäure weiter, danach wird wieder diagnostiziert, wahrscheinlich durch MRT und nicht durch MIBG-Szintigraphie, die dieses Jahr nicht mehr zum Einsatz kommen soll. Im Moment scheinen die Ärzte es nicht so eilig zu haben mit der weiteren Therapie. Man möchte sich freuen darüber, denn die fortschreitende Normalisierung und Stabilisierung bei Greta erweckt den Eindruck, dass nun bald alles gut ist und die Ärzte gar nicht mehr viel zu tun brauchen. Das könnte ein Trugschluss sein. Ein langmonatiger Weggefährte von Greta ist gerade gestorben. Bei ihm ging es zum Schluss so schnell, dass er nicht einmal mehr nachhause gekommen ist.
Schon wieder sind vier Wochen Behandlung vorbei. Die zweite Hälfte davon war für alle Beteiligten vergleichsweise entspannt, da Greta nur ambulant ins Krankenhaus musste. Das ist schon deshalb ein günstiger Umstand, weil Papa im November viel unterwegs ist. Mit sieben auswärtigen Terminen ist dieser Monat Spitzenreiter in 2008. Aber die Weihnachtsferien kommen ganz bestimmt.
Den Sonntag haben wir erwartungsgemäß nur zuhause herumgehangen. Steffi ist zu den Pferden gegangen, Stella ist überhaupt nicht aus dem Schlafanzug gekommen und hat um sieben schon wieder geschlafen. Greta hat mit mir Schach gespielt.
Clara sieht ziemlich verrucht aus, weil ihr nun der linke Schneidezahn fehlt. Sie kann stundenlang Geschichten erzählen. Die Kinder sind guter Dinge, spielen phasenweise auch zu dritt gut zusammen. Das Gefälle zwischen den Großen und Greta schrumpft gerade wieder. Greta ist schwerer geworden, nicht mehr ganz so leicht am ausgestreckten Arm in die Luft zu wirbeln.
Bittere 0:3-Heimniederlage von Chemie gegen den FC Oberneuland aus Bremen, immerhin 750 Mitglieder, vorletzter Tabellenplatz.

Sonntag, 9. November 2008

Leibesübungen in der Provinz

Wir waren heute nach vielen Monaten mal wieder im Zoo, was richtig schön war. Das Infektionsrisiko ist im Moment gering, weil Gretas Blutbild fast normal ist. Und da sie ohnehin immer zu den Pferden geht und dort im Dreck wühlt, kann sie auch den Zoo besuchen. Greta liebt den Zoo. Die Großen wollen da fast nur konsumieren, was im November nicht ganz so einfach ist, weil die Eiswägen und Würstchenbuden dicht haben. Die Eisenbahn fährt auch nicht. Von den Tieren sind etliche im Winterschlaf oder im beheizten Stall, und von den südländischen Vertretern nehmen viele jetzt erst ihren Jahresurlaub.
Die Großen haben sich ein bisschen gelangweilt, Greta fand es prima. Es ist aber noch ein weiter Weg, bis sie eine normale Vierjährige wird. Von der Größe, vom Gewicht, von der Sprache her ist sie es noch nicht, und sie hat gezeigt, dass sie doch noch arg wackelig auf den Beinen ist und wenig belastbar. Wieder zuhause, wurde sie schnell übellaunig und war um fünf Uhr fest eingeschlafen.
Stella hat ein neues Fahrrad. Wenn der Herbst mild bleibt, kann sie es noch eine Weile nutzen, was ihr gut täte. Clara ist beweglicher, auch auf dem Velo. Reiten kann sie ein Pony schon fast alleine. Ich war am Samstag zum ersten Mal mit in Liebertwolkwitz. Viel mehr als Pferde putzen und bewegen kann man dort nicht.
Der ranghöchste städtische Fußballclub Sachsen (Chemie) Leipzig hat bei Türkiyemspor Berlin verloren und steht auf einem Abstiegsplatz. Eine Liga drunter jagt die Lokomotive den Zipsendorfer Fußballclub Meuselwitz e.V., der 305 Mitglieder hat und in der Oberliga bisher nur 3 Tore in zehn Spielen kassierte. Gut möglich, dass wir demnächst im Zentralstadion nebenan wieder packende Lokalderbys zwischen Chemie und Lok sehen – in der 5. Liga vor 30.000 Zuschauern.

Mittwoch, 5. November 2008

Bahnlektüre

Die Rückfahrt von einem Arbeitstermin in Stuttgart dauerte drei Stunden länger als geplant, aber in der Frankfurter Bahnhofsbuchhandlung fiel mir Zeitvertreib in die Hände: Michael Schophaus, Im Himmel warten Bäume auf dich. Ein Journalist beschreibt Krankheit und Tod seines Sohnes, Neuroblastom Stadium vier.
Zunächst war ich mir nicht sicher, ob ich das wirklich lesen soll, denn die Dinge dringen viel tiefer in meine empfindsame Seele, wenn sie schriftlich vor mir liegen. Schließlich überwog die Neugierde, vor allem auf die Schlussphase. Erst war es anstrengend, dann ging es besser.
Da gibt es wirklich ein paar bizarre Parallelen zu unserem Kosmos. Jakob liebt Pferde, seine Brüder heißen Jonas und Simon, und er hat eine „Oma Düsseldorf“. Zum Glück gibt es auch Unterschiede. Jakobs Bauchtumor war bei Entdeckung doppelt so groß wie der von Greta (trotzdem hat er noch 20 Monate gelebt). Viele Pannen und menschliche Unverträglichkeiten mit Schwestern und Ärztinnen, von denen Schophaus berichtet, sind uns bisher unbekannt geblieben. Und es scheint in den vergangenen 10 Jahren doch signifikanten medizinischen Fortschritt gegeben zu haben.
Der wichtigste Unterschied im Moment: Greta lebt und ist quietschvergnügt, weil sie nämlich gestern und heute doch nach der Bestrahlung nachhause durfte.

Sonntag, 2. November 2008

Zielgerade?

KW 44 war die ruhigste und erholsamste Woche seit Monaten. Ich bin dreimal abends nachhause gekommen und habe nichts anderes getan als Abendbrotessen, Lesen und Schlafen. Steffi hat eine Freundin getroffen und ist sogar zu einer Lesung gegangen. Donnerstag Mittag war Greta dann wieder zuhause.
Am Samstag sind Stella und Clara von Thomas nach Leipzig zurückgebracht worden. Die Mädels sind sehr gut drauf und gar nicht einmal übermüdet. Vom Kölner Dom berichten sie ebenso begeistert wie von der Wuppertaler Schwebebahn. Stella hat ihr Buchmanuskript entscheidend vorangebracht. Anscheinend haben sich beide sowohl in Köln als auch in Düsseldorf sehr gut benommen, zumindest sagt man uns das so. Ich muss mich erst noch an den Gedanken gewöhnen, gut erzogene Kinder zu haben.
Nun sind wir also wieder vollständig – und mehr als das, denn Susanne und Anna aus Bamberg sind auch da. Der Großeinkauf am Samstagmorgen gehört inzwischen zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Schade, zwei Weinflaschen dazu, und ich hätte gestern erneut meinen persönlichen Aldi-Highscore getoppt. Neulich bin ich an der Kasse gefragt worden, ob ich Umsatzsteuer ausweise. Ich stehe jetzt in Konkurrenz zu den umliegenden Gemüsehändlern, die beim Aldi zentnerweise die billigen Strauchtomaten zum Weiterverkauf horten.
Greta verbraucht davon am wenigsten, sieht aber gesund und wohlgenährt aus. Sie ist so aktiv und quirlig, dass normalerweise jeder sagen würde, die muss dringend in den Kindergarten. Nur Treppensteigen mag sie noch nicht, aber das hat sie mit Steffi gemein, die sich einfach nicht an unseren schönen Zweitkühlschrank im Keller gewöhnen mag, wo vornehmlich die Getränke lagern.
Morgen früh geht es mit der Bestrahlung weiter, und es wird sicher zunehmend schwer, Greta im Krankenhaus über den Tag zu bringen. Steffi will versuchen, doch wenigstens nachmittäglichen Heimgang zu erwirken. Unser Marathon ist noch nicht vorbei, aber in New York geht es jetzt in die Zielgerade.

Sonntag, 26. Oktober 2008

Kulturwochenende

Greta hat wieder Haare, zunächst eher fühlbar als sichtbar, aber immerhin. Da nächsten Freitag Feiertag ist, hätte Tochter Drei für diesen wegzurechnenden Werktag gestern, Samstag, eine extra Strahlendosis bekommen sollen, aber der Termin musste ausfallen, weil die Maschine kaputt war. Den Tag müssen wir anderweitig nachholen.
Töchter Eins und Zwei sind in Köln, wo sie sich nun mit den kongenialen Rath-Jungs vergnügen. Ich habe sie Freitag hingebracht und durfte gleich eintauchen in die rheinische Künstlerszene. Wenig Schlaf und ungewohnt viele Eindrücke aus einer überaus lebendigen Region.
Wieder zuhause, war ein Film aus Wien hereingeflattert. Eine Adaption vom Fliegenden Klassenzimmer vor Leipzig-Kulisse im Thomaner-Internat. Voll krass. Mit Sebastian Koch und Fabi von den Wilden Kerlen. Greta und ich haben ihn gleich geguckt als Steffi bei den Pferden war. Ulli von Simmern springt mit roten Gas-Ballons statt mit Regenschirmen. Das MacGuffin in der Geiselnahme sind Chornoten, die verbrannt werden, Justus’ Freund war in den Westen abgehauen, damals. Mit vielen Leipzig-Bildern, die nun doch langsam vertraut werden. Toller Film - von guten Menschen, Kinderträumen und echten Freunden.
Steffi hat gestern in der Studiobühne Skala die Premiere von „Straße“ angeschaut. Christoph Schlingensief war auch da, Steffi hat ein bisschen mit ihm geflirtet. Der ist schließlich auch wieder gesund geworden und hat seine volle Haarpracht zurück.

Donnerstag, 23. Oktober 2008

Auf nach Köln

Greta verträgt auch die Bauch-Bestrahlung bisher sehr gut. Dass sie außer Schokolade und Pomm-Bären nichts essen mag, liegt zum Teil wieder mal an der legendären Krankenhaus-Verpflegung. Die „Lasagne“ bestand gestern aus Hackfleisch zwischen ungekochten Teigplatten. Eine Mit-Mutter versuchte, das Zeug in kochender Milch nachzugaren, um es genießbar zu machen. Der gaumenverwöhnten Greta kann man mit so etwas natürlich nicht kommen.
Dass das Kind guter Dinge ist, kann uns freuen, macht die Betreuungssituation aber nicht leichter. Die Ansage ist nun doch: Bauchbestrahlung ist stationär, Urlaub gibt’s nur am Wochenende. Also vier Wochen Krankenhaus. Steffi ist ziemlich sauer deswegen und denkt ans Ausbüchsen. Kleine Exkursionen darf sie sowieso unternehmen. Nachmittags mit Greta mal drei Stunden zu den Pferden zu gehen würde vielleicht gar nicht auffallen.
Zuhause mogeln wir uns so durch. Es kann jetzt vorkommen, dass Stella und Clara zwei Stunden alleine sind und einen Film anschauen. Beschwert haben sie sich deswegen noch nicht. Morgen bringe ich die beiden für eine Woche nach Köln, inklusive Abstecher zur Oma nach Düsseldorf.

Sonntag, 19. Oktober 2008

Geburtstagswochenende

Nun ist Greta vier Jahre alt und genau ein laufender Meter. Soweit haben wir es geschafft. Wenn sie auch bei ihrem fünften Geburtstag noch dabei ist, dann sind wir wohl endgültig über den Berg. Manchmal können Zielsetzungen so einfach sein.
Das Frühstück war sehr feierlich, der Tisch bog sich vor Geschenken. Es gab Gretas Lieblingskinderkrümelstreuselkuchen. Die Großeltern trugen maßgeblich zum feiertäglichen Ambiente bei. Der Kindergeburtstag blieb allerdings vorsichtshalber auf die Schwestern beschränkt. So wurde der Tag schnell prosaisch und mit einer ausgedehnten Reitpartie fortgesetzt. Der Vater war sowieso bei einem Umzug eingeteilt. Ein ziemlich trauriger Umzug übrigens, weil damit die beiden kleinen Engelchen das Haus verlassen haben, die bei uns ein und aus gegangen sind. Zum Glück haben sie Unterkunft gefunden im nächsten Umkreis der Schule, also nicht weit weg.
Ich hatte vorher mein läuferisches Comeback nach vier Wochen Erkältungspause gegeben, und hab auch sonst alles falsch gemacht zu Beginn dieses Umzugs, d.h. ich bin die Treppen hochgerannt, gleich die schwersten Teile angegangen und habe folglich nach einer halben Stunde nur noch Spielzeugwannen und Pullovertüten nehmen und hoffen können, dass es nicht so auffällt. Greta und Clara rannten aber vor der Haustür herum und fingen mich mehrfach mit dem Spruch ab: „Ooch Papa, DAS hätte ich auch tragen können.“ Greta fuchtelte mit einem großen Holzschwert herum, auf dem ihr Name draufsteht. Man kriegt die Kinder ja nicht aus dem Weg, wenn richtig was los ist.
Die Männer müssen bei Umzügen immer Tetris spielen und selbst dann noch das Packmaß pro Auto genau berechnen, wenn man vier Autos hat und die Zielwohnung 500 m entfernt ist. Aber wie zu erwarten: Der Umzug wurde vollbracht, und ich hab einen scheußlichen Muskelkater, wenn auch schon gelockert durch eine nachmittägliche Fußballrunde im Rosental. Im Cross-Age-Turnier standen (oder krabbelten) zeitweilig bis zu 12 Personen auf dem Feld.
Heute Abend wird Greta wieder hospitalisiert für die morgen sehr früh beginnende Bestrahlung. Das gemütliche Wochenende ist vorzeitig vorbei, aber in Summe konnten wir alle ganz gut auftanken.

Mittwoch, 15. Oktober 2008

Die Richtung stimmt

Unsere nähere Zukunft hat wieder klarere Konturen. Ab Montag muss Greta für vier Wochen zur Bestrahlung an zwanzig Arbeitstagen. Ob sie teilweise oder ganz stationär in der Klinik bleibt, hängt davon ab, wie sie die Behandlung verträgt. Es wird zunächst ausschließlich der Tumorrest neben der Leber bestrahlt.
Greta musste heute in den Computer-Tomographen und hat jetzt ein dickes Ziel-Kreuz auf dem Bauch. Das CT sei „cool“ gewesen, sagt sie, wie ein Raumschiff. Mit roten Streifen. Weil sie so ruhig ausgehalten hat, dass keine Narkose nötig war, hat sie ein riesengroßes Pflaster geschenkt bekommen, mit dem man sonst wahrscheinlich Pferde verarztet.
Der Tumorrest sei deshalb vordringlich, weil von dort aus die Streugefahr noch am größten ist, außerdem wirke die Retinsäure da schlechter als in den Knochen. Wie sich die Knochenmetastasen entwickeln, müsse man erst mal abwarten, die zuletzt angewandten Therapeutika wirkten systemisch und langsam. Es sei nicht einmal sicher, dass die Knochen überhaupt noch bestrahlt werden müssten. Der Strahlenprofessor, bei dem Steffi und Greta heute endlich das Aufklärungsgespräch hatten, war jedenfalls ganz entspannt und sah uns auch weiterhin gut im Zeitplan. Nun kann es an die Geburtstagsvorbereitungen gehen.

Sonntag, 12. Oktober 2008

Weiterhin Ungewissheit

Greta hat die ersten zwei Wochen Retinsäure-Behandlung ohne nennenswerte Vorkommnisse hinter sich gebracht. Seit dem Abklingen der ersten Hemmschwellen wirft sie sich die Dinger ein wie Bonbons.
Am Montag wird es wohl zumindest einen Termin für ein Beratungsgespräch beim Strahlenprofessor geben, vielleicht auch schon einen Zeitplan. Die Onkologen glauben, dass die Bestrahlungen beim Tumorrest im Bauch anfangen werden. Dafür würde Greta wahrscheinlich stationär behandelt. In den Knochen gibt es (mindestens?) zwei weitere aktive Stellen, aber anscheinend keine neuen Herde. Viel weiter bringen uns diese Infos nicht, über die aktuelle Prognose schweigen die Ärzte.
Unterschwellig nervt diese Ungewissheit, meistens findet man sich einfach damit ab und widmet sich weiter den Alltagspflichten. Gretas Krankheit ist weniger ein Projekt mit festen Terminen und klaren kausalen Sach-und-Zeit-Beziehungen, sondern eher ein offener Prozess, der einen ziemlich oft zum Nichtstun verdammt.
Bis Samstag waren die Raths mit drei großen Jungens zu Besuch. Unsere Mädchen waren schwer begeistert. Als wir so zu zehnt beim Softeis-Mann saßen, der zum Glück wegen des grandiosen Wetters ein paar Wochen länger auf hat, dachte ich mir: Die längste Zeit war ich mit Thomas zu zweit, und nun sind wir eine ganze Herde, das ist schon toll! An einem Besuch von Stella und Clara in Köln in den Herbstferien wird derzeit intensiv gearbeitet. Nächste Woche kommen Vetter Roland und danach die Schwiegereltern, um am Samstag Gretas vierten Geburtstag zu begehen, kein ganz gewöhnliches Datum.

Sonntag, 5. Oktober 2008

Erholsame Langeweile

Die Retinsäure ist kein Baldrian, wird auch als letztes Mittel gegen schwere Akne eingesetzt, der Beipackzettel ist beeindruckend. Da steht sogar etwas von möglichen Depressionen und Selbstmordgedanken drauf, was die Kinder besonders unheimlich finden. Tatsächlich hat Greta jetzt manchmal kurze Phasen tiefer Traurigkeit, welche scheinbar keine spezielle Ursache hat. Und ihre oberste Hautschicht pellt sich ein wenig, aber das ist auch alles.
In den gut gelaunten 23,5 Stunden des Tages spielt Greta Fangen mit verfügbaren Erwachsenen, stopft Nutella in sich hinein (alle miteinander nähern sich dem Verbrauch von einem 400-Gramm-Glas pro Tag) und spielt mit ihrer gleichaltrigen Gefährtin aus dem Haus.
Heute Vormittag gabs großes Kindertheater von Stella und Marlene. Mit selbstgebastelter Bühne, Vorhang, mehreren Bühnenbildern, Papier-Personen am Stäbchen und Salzstangen in der Pause. Es war halb Autoren-Theater, halb Impro, der Plot deutlich autobiographisch inspiriert. Die kleineren Geschwister waren etwas überfordert, die Eltern dagegen sehr begeistert. Die Thomas-Mann-Kinder haben in München auch exzessiv Theater gespielt und Stücke geschrieben. Man darf also Großes hoffen.
Der Vater darf morgen für zweieinhalb Tage auf Dienstreise in den Süden fahren, wo die Weine mehr Farbe und die Menschen bessere Laune haben. Auch die Autos sind dort teurer, aber Leipzig holt auf. Abgesehen von einigen alten Porsches und Jaguars, die in Liebhabergaragen stehen, kann man im Viertel die neuesten Benze und auch zwei Maseratis bewundern. Beim Aldi parkte gestern ein Aston Martin DB9. Ein Traum zum Basisneupreis von 164.000 Pfund Sterling. Auf dem Tacho Spitze 330. Der Kofferraum ist allerdings für einen Aldi-Einkauf weniger geeignet.

Freitag, 3. Oktober 2008

Gefühlte Prognose vorläufig unverändert

Es gibt noch keine wirklich weiterführenden Erkenntnisse über Gretas Gesundheit. Inoffizielle Aussagen des behandelnden Arztes anlässlich der heutigen Blutbildkontrolle besagen, dass die Knochenmetastasen zwar noch nachweisbar sind, der Resttumor an der Leber sich aber verkleinert hat und die letzten Therapieschritte folglich angeschlagen haben. Neue Metastasen gibt es anscheinend nicht.
Am Montag werden sich die Onkologen mit dem Strahlen-Professor zusammensetzen, alles gründlich auswerten und das weitere Vorgehen beraten. Der erste zweiwöchige Retinsäure-Block wird auf jeden Fall durchlaufen und nicht durch eine Strahlenbehandlung unterbrochen. Gretas Blutwerte sind gut wie lange nicht, nächster Kliniktermin ist erst wieder Donnerstag. Ein entspanntes Wochenende steht an.
Ich war anlässlich des Historikertags zum ersten Mal nach langer Zeit wieder im schönen Dresden. Ihr könnt beruhigt sein: Der Streit um die neue Elbe-Brücke ist völlig übertrieben, die Baustelle mehrere Kilometer weg vom historischen Stadtzentrum. Anscheinend wollen die Stadtschützer nur den Blick auf die originalen Plattenbauten unverstellt erhalten, die neben der linken Rampe stehen.
Ein Zugewinn ist die Frauenkirche. Wer einmal einen wirklich neuen Barockbau anschauen will, innen mit frischem, hellbunten Marmor ohne jede Patina, sollte sich dies nicht entgehen lassen. Die Kirche passt immerhin deutlich besser in ihr Umfeld als die beiden gotischen Kathedralen in Manhattan oder das neue Schloss in Braunschweig.

Sonntag, 28. September 2008

Tamagotchi oder Handy?

Dienstag und Mittwoch werden nun doch neue Szintigramme gemacht, als Basis für die Bestrahlungen. Die Informationen daraus könnten weit reichend sein. Wir sind voll banger Spannung. Seit gestern nimmt Greta Retinsäure, die uns (im günstigen Fall) mit Unterbrechungen ein Jahr begleiten wird. Morgens und abends je zwei große und eine kleine Pille. Die Perlchen sehen ganz freundlich aus, sind glatt, glänzend, weich und offenbar geschmacksneutral. Die erste Vergabe hat trotzdem eine halbe Stunde gedauert und alle Beteiligten Nerven gekostet. Seitdem geht es aber besser. Greta sagt, sie hätte den Trick heraus, wie man die Kugeln „mit der Zungenspitze nach hinten schubst“.
Gestern war ich auf einhelligen Wunsch der Kinder wieder auf dem Wellenspielplatz, dessen Charme sich nur Eingeweihten erschließt. Jemand hat die drei überdimensionalen Holzgestelle der Schaukeln mit Golgatha in Verbindung gebracht. Wenigstens schien die Sonne.
Als wir ankamen, kurz nach zwei, dröhnten die üblichen Jubel- und Anfeuerungsrufe der Chemie-Fans aus dem Zentralstadion, auch 3000 Menschen können durchaus Stimmung machen. Nach einer halben Stunde hörte das aber so restlos auf, dass wir schon dachten, das Spiel sei doch noch abgesagt worden. Gegen vier schlichen einige Leute in Parkas zu ihren Autos. Drei grüne Minnas drehten gelangweilte Runden über den Parkplatz. Null zu vier gegen Hansa Rostock II, völlig trostlos. Nicht mal gegnerische Fans waren da, überhaupt niemand, der sich hätte freuen können. Spitzenfußball in Sachsen.
Stella war allein zuhause geblieben, musste mal was für sich machen. Nach vier Stunden ödete es sie an, und sie ging zu Nachbarn. Das Abmeldebriefchen fand ich wieder einmal nicht, und Stellas Handy war aus. Sie kam erst gegen acht. Das Gute ist, dass wir uns in solchen Situationen gar nicht mehr grämen, weil wir solche peanuts innerlich gleich durchwinken.
Ja, Stella hat seit sechs Wochen ein Handy. Ich war dagegen, aber die Frauen haben sich wie üblich durchgesetzt. Selbst der Telefon-Verkäufer riet für diese Altersklasse ausdrücklich ab. Stella hat das Gerät mit einem supercoolen Schmuckbändchen versehen und trägt es in einem Filz-Täschchen, mit buntem Strass besetzt. Ein Lieblingskuscheltier könnte es bei ihr nicht besser haben. Sie kann das Handy aber auch bedienen, nutzt es bisher maßvoll und hängt es immer rechtzeitig an den Strom.

Zu Fuß ins neue Heim

Der Umzug der Pferde von Pehritzsch nach Liebertwolkwitz ist vollbracht. Der Zeitplan für den Marsch konnte allerdings nicht ganz eingehalten werden. Wir sehen Rooney, Julchen (vorne) und Steffi im Baalsdorfer Forst, kurz vor Kleinpösna, wo nach glücklicher Überquerung der A14 kurzfristig die Orientierung verloren ging. Ganz rechts der Rathausturm von Holzhausen.

Mittwoch, 24. September 2008

Erhaltungstherapie

Die Strahlentherapie beginnt so bald noch nicht. Der einschlägige Professor meinte am Montag, es seien zu viele potenzielle Herde, die Dringlichkeit dabei möglicherweise gar nicht hoch, die Belastung dem Kind nicht einfach auf Verdacht zuzumuten. Erst müsse ein neues Szintigramm her. Wahrscheinlich beginnen wir am Samstag mit der Retinsäure (Erhaltungstherapie), ebenfalls fester Bestandteil des Therapieplans und in der Folge alternierend mit den Bestrahlungen zu verabreichen. Retinsäure soll dafür sorgen, dass mögliche verbliebene maligne Reste sich in gutartige Zellen umwandeln, die sich nicht mehr endlos oft teilen können. Retinsäure wird auch bei einigen Hautkrankheiten angewendet, kann in hoher Dosierung aber zu Schäden an Haut und Schleimhäuten führen.
Der Vater hat die allgemeine Erschlaffung seit Sonntag dazu genutzt, die erste Grippe seit langer Zeit auszubrüten. Klar, wird die Schwiegerfamilie sagen, du trinkst ja auch kein Cellagon mehr.
Stella hat vorhin zum ersten Mal „keene“ für „keine“ gesagt. Ich habe von einer Bestrafung abgesehen. Die Akkulturation schreitet voran.

Greta und ihre Freunde

Wieder daheim

Drei Engel aus der Feuerbachstraße 3


Rooney, Julchen, Isella und Clara beraten über den Stand der Dinge.



Sonntag, 21. September 2008

Abschied vom Sommer

Morgen, Montag, wird Steffi mit dem Strahlen-Professor reden. Dann erfahren wir, wie es weitergehen wird. Im Moment wissen wir über Dauer und Ablauf wenig (ambulant/stationär). Es sind jedenfalls viele Stellen, die bestrahlt werden müssen. Auch der Tumorrest neben der Leber wird noch einmal Thema werden. Greta muss erst am Dienstag zur ambulanten Durchsicht in die KiK 4. Sie ist guter Dinge, fast normal bei Kräften und benimmt sich im Kreise ihrer Schwestern und NachbarsfreundInnen völlig altersgemäß. Heute Nachmittag haben fünf Kinder mein Fahrrad geputzt. So kann der Herbst kommen.
Das Wochenende gehört uns fünf. Wir sind gut zueinander und sammeln Kräfte. Stella und Clara haben gestern Franziskas Geburtstag mit einem spektakulären Kletterwald-Ausflug begangen. Steffi war bei der Eröffnung der neuen Leipziger Studiobühne Skala und anschließend bei den Pferden. Diese werden demnächst von Pehritzsch nach Liebertwolkwitz umziehen. Das wäre die halbierte Entfernung für weniger Geld. Wie ist das möglich? Angeblich hat sich unser Pony Julchen so sehr mit Isella angefreundet, dass deren Besitzer, die eine neue Koppel gründen, nicht ohne uns umziehen wollen. Geschichten, die das Leben schrieb. Pehritzsch befindet sich in Auflösung. Nur unser Kater Benni ist dann noch dort und bleibt es auch. Mit knapper Not konnte ich abwenden, dass das unreine Tier schon jetzt wieder in die Wohngemeinschaft mit Greta zurückgeführt wird.

Mittwoch, 17. September 2008

Full House

Greta und Steffi sind wieder zuhause. Es war total schön, wieder einmal zu fünft in einem Raum zu sein. Danach haben wir uns allerdings gewohnheitsmäßig schnell wieder verlaufen. Demnächst müssen sich die Erwachsenen mal abends zu einer ausführlichen Terminbesprechung verabreden.
Die Diele steht voll mit einem riesigen Haufen Jena-Gepäck. Die Kinder waren die meiste Zeit glücklich und haben einträchtig gespielt. Stella und Clara haben Gretas Kopf nach neuen Haaren abgesucht. Es ist ein ganz neues Gefühl, drei sprechende Kinder in der Wohnung zu haben. Greta hat sich in vieler Hinsicht wirklich gut entwickelt.
Steffi wollte zuerst die Großen in die Wanne stecken. Nicht jeder mag das. Clara hat sich im Kleiderschrank versteckt. Greta hat sie dort gefunden.

Sonntag, 14. September 2008

Danie, Mark und Rico

Für Carl Zeiss Jena war es kein guter Tag nach der Klatsche gegen Stuttgart und der ersten Trainerentlassung dieser Saison. Mein Mitleid hält sich in Grenzen, ich werde wohl nicht mehr so bald nach Jena kommen. Vom vielen Händewaschen sind mir Schwimmflossen gewachsen, und mein Kreuz ist völlig schief von dieser stets leicht verdrehten Sitzhaltung am Bett.
Wahrscheinlich wird Greta am Mittwoch entlassen. Heute hat sie schon drei Butterkekse und ein Gummibärchen gefrühstückt und war ziemlich munter. Sie sagt: „Ich vermisse Stella und Clara.“ Ob sie allerdings nachhause kommt oder gleich in die KiK 4, ist noch unklar. Sie wird sehr bald Bestrahlungen bekommen auf Basis der Herde, die man während der MIBG-Therapie genau lokalisiert hat. Da die letzten Therapieschritte eher langfristig wirken, macht es jetzt noch keinen Sinn, neuerlich aufwendige Diagnose zu betreiben. Im November wird es ein Szintigramm geben, und dann werden wir eine erste Antwort auf die Gretchenfrage bekommen, ob die Therapie bisher überhaupt etwas genützt hat und ob wir eine Verbesserung unserer Ausgangsprognose von 50 Prozent erreicht haben.
Als die Nachricht vom Ansteigen der Leukozyten kam und damit ein Abschluss des schweren Jena-Ganges in Aussicht, setzte ich mich hin und schrieb ein paar Namen auf von Leuten, die wir zu einem Frühlingsfest einladen könnten. Irgendwann kam mir das frivol und voreilig vor, doch dann wurde mir bewusst, dass wir nächstes Jahr so oder so Anlass haben werden, ein größeres Begängnis für Greta zu organisieren, also wird die Liste fortgesetzt.
Dieses Wochenende stand unter keinem besonderen Motto. Es gab ein paar Partien Maumau, viel Vorlesen und Spiele mit den Tigern. Gretas Schleich-Fuhrpark hat inzwischen ungefähr mit dem Leipziger Zoo gleichgezogen. Es gibt Familienmitglieder, die behaupten, dass ein Erwerb dieser Figuren eine Geldanlage sei. Manche glauben sogar, es handele sich dabei um Kunst, weil die Tiere so schön originalgetreu nachgebildet seien. Na ja, immerhin sind die Teile unkaputtbar, und man kann sie wahrscheinlich ganz gut bei Ebay verticken.
Das Wochenende war für den Betreuer gar nicht einmal allzu hart. Die abendliche Einschlafzeit lag bei halb neun. Seit ein paar Tagen gibt’s Hafterleichterung. Der Besucher braucht keinen Mundschutz mehr, und Greta darf am Nachmittag für zwei Stunden heraus. Wir sind ins McDonald-Haus in den Party-Keller und haben eine Runde Billard gespielt, wie die Jungs von Clemens Meyer, die meistens prügeln und saufen und dabei doch so verletzlich sind. Mit Jena ist auch dieses schöne Buch zuende gegangen.

Freitag, 12. September 2008

Viertes Jena-Wochenende

Obwohl die Leukozyten in den letzten Tagen weiter gut angestiegen sind, wird Greta übers Wochenende noch in Jena bleiben, weil die Blutbildung sich erst stabilisieren soll und man abwarten will, wie sich die Rücknahme der vielen prophylaktischen Medikamente und Schmerzmittel auswirkt. Außerdem muss sie wieder anfangen zu essen.
Also werde ich wie gewöhnlich gleich um 11:11 Uhr von Gleis 11 leider nicht bis München, sondern eben nach Jena fahren und Steffi ablösen. Die muss am späten Nachmittag zum Lessing-Schulfest, was eine Riesen-Veranstaltung wird und von allen großen Kindern sehr herbeigesehnt wird.
Morgen fährt Heidi wieder nachhause, die zwei Wochen lang eine riesengroße Hilfe war und uns über diese harte Zeit gerettet hat. Die Großen waren zufrieden, gut versorgt und bekamen obendrein noch professionelle physiotherapeutische Betreuung. Und die Erwachsenen haben abends wie in alten Zeiten wilde Würfelrunden veranstaltet.

Sonntag, 7. September 2008

Fortschritte

Heute morgen, am Tag 10 nach der Stammzellentransplantation, ist Gretas Leukozytenwert bereits auf 0,2 gppl gestiegen. Das heißt, die Stammzellen haben ihren Weg gefunden, die Blutbildung ist wieder im Gang. Das ist eine sehr gute Nachricht. Greta scheint auch die Jena-Hürde zu nehmen, und erneut sind wir sogar ziemlich schnell unterwegs. Tatsächlich hat das Kind, das unter der Woche noch arg in den Seilen hing, am Wochenende sichtlich Vitalität zurückgewonnen und war heute fast schon wieder so quirlig wie in Normalform. Und das, obwohl sie seit zwei Wochen praktisch intravenös ernährt wird. Bis sie entlassen werden kann, wird es sicher noch einige Tage dauern. Die Leipziger Onkologen erwarten sie freilich dringend.
Die letzten zwei Tage lag Gretas Lebensinteresse im Studium von Wimmelbildern mit Schlümpfen. Mit einer unglaublichen Ausdauer konnte sie der Frage nachgehen, wo sich denn der Baby-Schlumpf befindet, oder wo die sechs Bälle sind. Das Wort „Schlumpf“ hat sich allerdings lange ihrem Wortschatz entzogen. Sie fragte dann: Wie heißen diese Tiere? Oder: Wie heißen diese Dinger? Für die erwachsene Betreuungsperson ist derlei Beschäftigung auf die Dauer eher anstrengend. Nach zwanzig Stunden Schlümpfesuchen sehe ich hinter jeder Ecke knollennasige Gnomen, suche nach Zipfelmützen, träume in blauweißen Parallelwelten.

Sonntag, 31. August 2008

Zelltief

Greta hat die Hammer-Chemo bis Dienstag und die zwei Tage später folgende Stammzellentransplantation sehr gut überstanden. Der schwerste Teil hat allerdings gerade erst begonnen. Das Kind ist jetzt im ultimativen Zelltief, da die Produktion von Blutkörperchen zum Erliegen gekommen ist. Manche Partikel-Sorten wie Thrombozyten kann man einfach so hinzugeben. Mit den Leukozyten, den Trägern der Abwehrstoffe, geht das aber nicht. Ein normaler Mensch hat davon 4-10 gppl (= Milliarden Teile pro Liter) im Blut. Während der Chemotherapie war der Wert von 1 ständig umschwankt. Bei deutlicher Unterschreitung von 1 musste Greta in der Klinik bleiben und wurde der Sterilpflege unterworfen. Nun hat sie unter 0,1 und ist entsprechend anfällig. Dass auch am dritten Tag nach Stammzellentransplantation noch kein Fieber und keine signifikante Erhöhung des Entzündungswertes im Blut zu verzeichnen waren, kann schon als kleiner Erfolg gelten. Aber es geht Greta nicht gut. Sie ist schwach, isst nichts, hat Durchfall und Halsschmerzen, eine Morphintherapie für kommende Schmerzen wird vorbereitet.
Kein einziges Maumau an diesem Wochenende. Manchmal Vorlesen, aber meistens nur schlappes Fernsehen. Beim Zappen landeten wir schließlich bei „Immer wieder Sonntags“. Das war der Tiefpunkt. Bei der blonden Dame dachte ich ja noch, gut, die hat wenigstens zuhause geübt. Aber es war gar nicht Karaoke, sondern Stefanie Hertel. Dann kamen Andi Borg, Roger Whittaker, das volle Programm, angereichert durch niveauvolle Scherzchen („Wie nennt der Schwede das Verhüterli? – Pippi Langstrumpf“). Selbst Gotthilf Fischer lebt noch, eigentlich fehlte nur Peter Alexander. Es gab kein Entkommen, denn Greta gefiel diese Sendung überaus gut. Wahrscheinlich sind Dreijährige genau die richtige Zielgruppe.
Deutlich besser ist der Roman „Als wir träumten“ von Clemens Meyer, der mich dieses Wochenende intensiv begleitet hat. Ich weiß gar nicht mehr, wer ihn mir geschenkt hat oder geliehen (schluck!!). Vielen Dank jedenfalls.
Steffi sieht zum Glück immer noch sehr gut aus und wird wohl noch eine Weile durchhalten. Wir sehen uns im Moment zwei Viertelstunden pro Woche, bei der Übergabe in Jena. Nachdem zuhause die unverwüstlichen Schwiegereltern eine Woche die Stellung gehalten haben, ist jetzt Heidi für mindestens eine Woche bei uns. So gibt es für alle Familienmitglieder immer noch erholsame Stunden zwischendurch, z.B. eine ausgedehnte Reiterrunde von Steffi und Clara gestern und ein zeitgleicher Zoo-Besuch von Stella mit Heidi.
Trotzdem ist es jetzt wirklich hart. Die Jena-Pendelei geht deutlich über das hinaus, was wir bisher leisten mussten. Wenn wir sehr großes Glück haben, sind wir in zwei Wochen damit durch, realistischer sind drei bis vier Wochen.

Glückliches Schulkind

Clara und Franziska am ersten Schultag, 23.08.2008.

„Lemon Tree“ und „Wish you where here“

Jena ist in mancher Hinsicht ein Hort der Einkehr und der Ruhe. Andere gehen dafür ins Kloster. Das Ronald-McDonalds-Haus mit seiner schönen Ideologie von Gemeinschaft und Sorgenteilung kann aber auch ziemlich nervig sein. Da gibt es Mütter, die sind schon mit Zwanzig so dick, dass sie die nicht kleine Küche komplett blockieren, wenn sie für ihre Großfamilie den Sonntagsbraten zubereiten. Geredet wird nur über schwerkranke Kinder, was einen auch nicht weiterbringt. Als ich am Samstagabend naheliegenderweise nach den Fußballergebnissen fragte, wurde ich nur komisch angeguckt.
Dafür ist mir am Samstag die perfekte Mittagspause gelungen. Der Döner war prall und saftig, eingenommen habe ich ihn romantisch in einer Baubrache auf den zugewucherten Restmauern einer Klosterruine mitten in der Stadt. Dann fand ich einen Supermarkt, der auch nach eins noch geöffnet hatte und deckte mich mit nötigen Lebensmitteln ein (endlich Tomaten und Äpfel!), schließlich trank ich draußen noch einen Kaffee und hörte einem richtig guten Straßenbarden mit Klampfe zu. Jena ist selbst in den Semesterferien noch erstaunlich multikulturell. Heute wurde ich schon zum zweiten Mal auf englisch nach dem Weg gefragt. Als ob ich den so genau wüsste.

Sonntag, 24. August 2008

Grüße aus dem Jenseits

Greta ist auch am vierten Tag der Verabreichung schwerster Chemo-Hämmer ziemlich normal und guter Dinge. Am liebsten isst sie gerade Wiener Würstchen, denen sie erst sorgfältig die Haut abkaut, um sie dann als „Nacktschnecken“ zu bezeichnen.
Die Einschulung ihrer Schwester hat sie mit einer einschlägigen Playmobil-Figur nachvollzogen, die sie rechtzeitig geschenkt bekam. Eine Schleich-Tiger-Familie dient dazu, „König der Löwen“ nachzuspielen. Ansonsten gebührt dem Erfinder von Maumau der Nobelpreis. Greta macht das inzwischen stundenlang, und sie kann schon fast Könige von Buben unterscheiden.
Jena ist eine nette Stadt, hügelig und waldig. Der Bahnhofsname „Paradies“ ist allerdings doch etwas übertrieben. Samstag Mittag wird es schon schwierig, Lebensmittel zu bekommen. Die medizinischen Einrichtungen sind deutlich kleiner und familiärer als in Leipzig. Anscheinend sind wir auch dort gut untergebracht.
Die elterliche Betreuung übernachtet bei Ronald McDonald, einer Art Kette von Jugendherbergen an derzeit 17 Standorten größerer Kinderkliniken in Deutschland. Das Zimmer mit Großküchenbenutzung kostet konkurrenzlose 15 Euro die Nacht. Cola kommt rund um die Uhr gratis aus dem Hahn. Freie Cheeseburger und Pommes Frites gibt es allerdings nicht. Nun weiß jeder, dass McDonald’s in Wahrheit ein Wohltäter der Menschheit ist.
Samstag suchte uns ein freundlicher älterer Herr auf, der sich als pensionierter Pfarrer und Hobby-Seelsorger vorstellte. Während ich meine gute Kinderstube nicht verleugnete, war Greta ungnädig: „Halt die Klappe!“ Wir waren nun auch gerade in eine besonders spannende Maumau-Partie vertieft. Der Gottesmann sprach weiter. „Ich muss mich konzentrieren“, so Greta im O-Ton, „HÖR AUF ZU REDEN !!“ Schließlich resignierte der freundliche Herr und wünschte uns einen schönen Tag. „So bald bekommt ihr meine Tochter nicht“, hätte ich ihm fast hinterhergerufen.
Mein Urlaub ist vorbei. Es könnte sein, dass die Nachrichten demnächst spärlicher kommen. „Urlaub“ war es insoferne dann doch, als ich gut ausgeschlafen bin, ein paar Bücher gelesen und Freunde getroffen habe.

Donnerstag, 21. August 2008

Fahrrad gesucht

Danke für die vielen guten Buchtipps!
Was wir jetzt brauchen, ist ein ordentliches gebrauchtes 24-Zoll-Fahrrad für Stella, nachdem Clara das von ihrer großen Schwester übernommen hat. Stella ist acht Jahre und acht Monate alt, Länge: 1,34 m.
Mit Inlinern, zu Fuß und gelegentlicher Autobenutzung sind die Kinder zwar im Waldstraßenviertel ausreichend motorisiert, aber ein Fahrrad gehört doch einfach dazu zum Leben.

Dienstag, 19. August 2008

Doch kein Familienwochenende

Der Aufschub des Behandlungsbeginns um eine Woche beruhte auf einem Missverständnis zwischen Leipzig und Jena. Auch das kommt vor, obwohl die Kommunikation zwischen den vielen Ärzten, Abteilungen und Kliniken bisher alles in allem zufriedenstellend funktioniert hat. Claras Einschulung am Samstag wird ohne mich und die kleine Schwester stattfinden, was nicht weiter tragisch ist.
Gestern wurden alle Voruntersuchungen am Stück erledigt, heute wird Greta in die Sterilpflege verlegt, morgen bekommt sie das erste von drei Medikamenten, deren Dosis diesmal so hoch ist, dass die Bildung von Leukozyten im Knochenmark ganz zum Erliegen kommt. Nächsten Dienstag endet dieser Zyklus, zwei Tage später (28.08.) erfolgt die Transplantation der autologen (körpereigenen) Blutstammzellen, wonach normalerweise die Produktion der weißen Blutkörperchen nach ein bis zwei Wochen wieder anspringt. Bis Mitte September mindestens sind wir durchgehend in Jena.
Die Betreuungssituation wird diesmal hart sein. Mit Kittel und evtl. Mundschutz unter ständigem Zug abgesaugter Luft in einem kleinen Raum mit dem Kind, das nicht herausdarf, die Betreuungsperson ebenfalls nur zur Mittagspause.
Das obligatorische Aufklärungsgespräch mit der zuständigen Oberärztin war so, dass wir wieder einmal gemerkt haben, wie viel wir im Behandlungsalltag verdrängen. Es war die Rede von Folgeschäden: möglicher oder wahrscheinlicher Schwerhörigkeit, von Wachstumsstörungen und eingeschränkter Fruchtbarkeit. Das sind Dinge, die das Elternohr nicht erfreuen können, allein die Perspektive ist schon fast wieder verheißungsvoll. Wenn wir Greta zur Einschulung ein kleines Hörgerät kaufen dürfen, dann sind wir aus heutiger Sicht glückliche Menschen.

Sonntag, 17. August 2008

Beginn der letzten Ferienwoche

Das Wochenende war ruhig und fast erholsam. Steffi war zweimal in Pehritzsch bei den Viechern, einmal mit, einmal ohne die Kinder. Zuhause ist momentan wieder Maumau der Renner, mit bis zu fünf SpielerInnen. Clara wird eine richtig gute Zockerin, wir haben zu zweit schon Bauernskat ausprobiert. Hoffentlich ist es bei ihr nicht so wie bei ihrer Mutter, die zwar alle Spiele, auch die komplizierteren, rasch erfasst und gut ausführt, letztlich aber gar keine Lust zum Spielen hat.
Morgen früh um halb acht müssen wir noch einmal in der Nuklearmedizin zur Messung der Gammastrahlen antreten. Das Auto ist dann schon gepackt für Jena, wo wir danach gleich zu dritt hinfahren werden. Während ich in der zweiten Tageshälfte zurückkehre, werden Steffi und Greta bis Donnerstag oder Freitag in Jena bleiben. Die Behandlung fängt zwar erst in der folgenden Woche an, aber es werden vorher umfangreiche Tests gemacht, die insbesondere alle Arten von Infektionen ausschließen sollen. Am Wochenende werden die beiden jedenfalls zuhause sein, wenn wir Claras Einschulung im größeren Familienkreis begehen. Sollte das nicht klappen, wird Clara in ihrer Karriere allerdings auch nicht nachhaltig beschädigt werden. Sie ist schon ganz heiß auf die Schule.

Samstag, 16. August 2008

MIBG-Therapie überstanden

Die Klinik für Nuklearmedizin ist auf die Behandlung von krebskranken Kindern kaum eingestellt, dorthin kommen vor allem erwachsene Schilddrüsen-Patienten. Es dauerte am Dienstag zweieinhalb Stunden, bis nicht nur das Kind regulär überwiesen, sondern auch die elterliche Betreuungsperson ordnungsgemäß aufgenommen war. Die Damen an der Rezeption mussten eine Kladde hervorholen, in denen die seltenen Vorgänge vermerkt waren, und in dieser Kladde wiederum steckte ein handgeschriebener Zettel, welcher abbildete, wie unser Fall ins SAP aufzunehmen sei.
Der Rest war vergleichsweise einfach. Greta vertrug die Infusion des stark strahlenden MIBG sehr gut und musste danach bis Freitag praktisch nur unter Verschluss gehalten werden, um ihre Umwelt nicht allzu sehr zu kontaminieren. Medizinische Anwendungen oder auch nur Rücksichten gab es keine mehr, kaum dass noch Fieber gemessen wurde. Wahrscheinlich sind die Schwestern auf dieser Station wirklich froh, wenn sie mit den Patienten nicht zu oft in Kontakt kommen. Eine stellte des Nachts eine bunte Kerze an Gretas Bett, was mich angesichts des Ernstes der Lage etwas melancholisch stimmte.
Für das Beschäftigungsprogramm waren also diesmal 24 h die Eltern zuständig. Dafür stand ein Zweibett-Zimmer zur Verfügung, das mit TV, Kühlschrank und Kaffeemaschine komfortabel ausgestattet war. Das Platzangebot reichte aus, um „Cowboy“ zu spielen, das ist eine Variante von „Fangen“, abwechselnd mit Lasso (Gürtel) oder Messer (Geo-Dreieck), mit anschließender Behandlung aus dem Arztkoffer. Greta war insgesamt sehr guter Dinge.
Ein paar Mal mussten wir ins „Raumschiff“, eine Gamma-Kamera, die fast einen Raum ausfüllt und deren große Flügel bei der Spektroskopie rund um den Patienten kreisen. Die Mess-Prozedur dauerte bis zu anderthalb Stunden, in denen Greta ruhig liegen musste. Zum Glück hat sie das diesmal ohne Narkose hingekriegt, und man merkt, dass sie reifer geworden ist. Einmal kippte allerdings die Stimmung. Ich musste auf Gretas Anweisung hin die dröhnende CD ausmachen und eine Geschichte von den Dino-Kindern erzählen, um die Patientin noch eine halbe Stunde bei Laune zu halten. Aus dem Stegreif ist das eine echte Herausforderung. Ich habe schlagartig über die Grundlagen der epischen Tradition mehr gelernt als in einem Jahr schriftbasierten Studiums. Zum Beispiel weiß ich jetzt, warum diese Dichtungen großenteils aus Wie-Wörtern, Namen, Titeln, Wiederholungen und Floskeln bestehen. Wenn du auf das vergleichsweise aufnahmeschwache Ohr statt auf das lesegewohnte Auge zielst und Zeit herumbringen musst, erzählst du nicht: „Die Großeltern ermahnten die Dino-Kinder, gut aufzupassen“, sondern du formulierst ungefähr: „Die Großeltern von Littlefoot, also Oma und Opa von dem Brontosauruskind, wendeten sich dringend an ihren Enkel Littlefoot, an Cera, das kleine Triceratops-Mädchen, und an die fröhlich herumspringenden Kinder Spiky und Ducky, und die Oma von Littlefoot sagte mit ernster Stimme: Liebe Kinder, ... usw.“ So ähnlich haben das die Vorgängerinnen und Vorgänger von Homer auch gemacht.

Montag, 11. August 2008

Wechsel im Außendienst

Verehrte Kunden, liebe Freunde des Hauses,
wie Sie schon wissen, hat Frau Renate Pämpass-Bomba das Unternehmen verlassen. Sie wird sich neuen Herausforderungen in Afrika stellen. Wir danken ihr für die geleistete Arbeit und wünschen ihr viel Glück auf ihrem weiteren Lebensweg.
Um so mehr freuen wir uns, Ihnen heute Herrn Henri Galax vorstellen zu können, der ab 12. August die Interessen der Fa. Lenger & Schmal vertreten wird. Herr Galax kommt aus Bayern, hat vier Jahre Berufserfahrung, 116 Pferde im Angebot und stets für sieben Menschen gleichzeitig ein offenes Herz. Er wird für uns die Bezirke West-Sachsen, Holstein, Mittel-Niedersachsen, Oberfranken, Berlin und das Rheinland bereisen. Wir bitten Sie darum, Herrn Galax dasselbe Vertrauen entgegenzubringen wie seiner Vorgängerin.

Samstag, 9. August 2008

Aufklärungsgespräch und Krankenakte

Am Dienstag gehen wir für vier Tage in die Nuklearmedizin (Leipzig), wo Greta die MIBG-Therapie bekommt. Dort wird sie 24 Stunden am Tag von einem Elternteil betreut werden. Man muss das Personal etwas schonen, damit es nicht zu oft den Röntgenstrahlen ausgesetzt wird, die als Abfallprodukt der Betastrahlen-Behandlung unvermeidlich sind. Wenn die Eltern zwei Tage im Jahr verstrahlt werden, ist das nicht so wild. Für die Isolationshaft haben wir vorsorglich einen zweiten DVD-Player und einige neue Filme besorgt.
Das radioaktive Jodid ist nach zwei bis drei Stunden in den Krebszellen und wirkt dort ein bis zwei Tage, wird dann ausgeschieden oder zerfällt (Halbwertszeit acht Tage). Eine messbare Wirkung stellt sich allerdings erst nach drei bis vier Wochen ein.
Anlässlich der Überweisung haben wir einen ausführlichen Krankenbericht in die Hand bekommen, der Diagnosen, Therapien sowie deren Resultate genau abbildet. Sofern unsere geringen Kenntnisse ein Verständnis zulassen, gibt es keine Überraschungen. Der Erfolg der Chemotherapie war insgesamt eher mäßig. Viele Metastasen sind verschwunden, einige andere (Schädel) haben sich neu gebildet. Neben der Leber gibt es einen Tumorrest von zwei cm Durchmesser, der aktiv ist. Gut ist, dass Lunge und Lymphe nicht befallen sind, außerdem ist das Knochenmark fast krebszellenfrei. Es haben sich auch die Hinweise darauf gemehrt, dass der Tumor weit ausgereift und in der Metamorphose zum (harmlosen) Ganglioneurom begriffen war. Die Aktivität der Metastasen spricht indes eine andere Sprache. Zu Freude und Entspannung besteht vorläufig kein Anlass. Immerhin stehen einige schwere Therapieschritte aus, die hoffentlich weiteren Erfolg bringen.
Was steht noch in dem Dossier? „Erschwert wurde die Therapie zeitweise durch unkontrollierbare Wutausbrüche von Seiten Gretas, die in Ausprägung und Frequenz mit der Eingewöhnung auf Station weniger wurden und zuletzt nur noch nach Narkosen auftraten.“
Greta selbst ficht das alles wenig an. Lücken aus dem gestrigen Aufklärungsgespräch ergeben sich daraus, dass ich zwischendurch draußen war und auf dem Gang Fangen spielen musste. Verstecken ist auch hoch im Kurs. Ansonsten rennt Greta ihren großen Schwestern und deren Freundinnen hinterher. Auf Seiten der Kinder bestehen Freude und Entspannung sehr wohl.

Sonntag, 3. August 2008

Tschüss Kangoo

Gestern konnte ich in Kiel zwei Mädchen in Empfang nehmen, die gut erholt, gut genährt, braun gebrannt und froh des Lebens waren. Zum Glück haben sie sich dann aber doch gefreut, mich zu sehen und sind heute willig ins Auto gestiegen.
Ich war so ausgeschlafen wie lange nicht mehr und habe prompt bei Hamburg unseren Renault zu Schrott gefahren. Im Radio lief gerade: „Lass die Leute reden ...“ von den Ärzten. Dummer Auffahrunfall, kein Personenschaden, immerhin haben sie kurz Vollsperrung für uns gemacht. Stella und Clara waren sehr traurig, als wir uns von unserem treuen Kangoo verabschieden mussten. Nun habe ich für meinen Urlaub ein klar umrissenes Projekt: Auto kaufen.
Greta war den ganzen Tag aktiv und im Hof zu Gange, hat sich über den Besuch gefreut und natürlich über die Rückkehr ihrer Schwestern. Wunderbar: Clara und Greta gemeinsam auf dem Quad, das dann immer noch fährt.

Freitag, 1. August 2008

Fahren und Wohnen

Als ich vor dreieinhalb Jahren beschloss, mir ein vernünftiges Fahrrad zu kaufen, musste ich zwei Wochen auf die Montage warten und erstand kurzerhand für den Übergang um 170 Euro beim Kaufland ein Zweitrad. Das war eine gute Entscheidung, denn Steffi nutzt das Gerät regelmäßig, ohne dass Klagen gekommen wären. Nun ist aber der Sattel kaputt gegangen. So ein neumodischer Gel-Sattel, der richtig Sauerei macht. Der Schwiegervater hat kunstvoll Klebestreifen gesetzt, dennoch fährt Steffi nur noch mit Plastiktüte, und das seit ca. sechs Wochen, in denen ich mich von weitem lediglich gewundert habe, warum meine Frau plötzlich so bedacht darauf ist, den Sattel vor Regen zu schützen.
Denn die wahre Sattelgeschichte habe ich erst heute erfahren, als wir uns tatsächlich mal wieder unterhalten haben. Die traurige Pointe ist, dass ich bis gestern jeden Tag am Fahrrad-Schurig vorbeigefahren bin (den ich jedem nur empfehlen kann). Ich hätte also jeden Tag einen neuen Sattel mitbringen können. Nun erst wieder in drei Wochen und drei Tagen. Wir lernen daraus, dass Kommunikation sehr wichtig ist.
Greta fährt gerade gerne mit einem roten E-Quad herum, das uns zugelaufen ist. Schon früher haben mich diese Gefährte immer an Rollstühle erinnert. Es kommt auch nicht von ungefähr, dass sie auffallend oft von übergewichtigen Jungs gefahren werden.
Das Teil hat dicke Stoßfänger und Profilreifen, als ob es fürs harte Gelände ausgelegt wäre. Dabei wird überhaut nur ein Rad angetrieben, das bei der kleinsten Unebenheit durchdreht. Das Quad ist vor allem laut und sehr langsam. Es kann nur eine Geschwindigkeit und nur vorwärts. Aber für ein bisschen Fahrtwind reicht es immerhin.
Dabei braucht Greta gar keinen Rollstuhl, sondern ist im Moment wieder flitzfidel. Es hatte eine Weile gedauert nach der OP Anfang Mai, dass sie richtig rund lief. Aber jetzt spielt sie wieder Fangen, was mit unseren vielen Türen zwischen den Zimmern besonders attraktiv ist.
Die Nachbarwohnung hat auch geflügelte Zwischentüren und sogar einen Balkon. Sie steht immer noch leer. 95 Quadratmeter für nur noch 5,50 Euro kalt. Meistens freie Fahrradparkplätze im Keller. Garantiert ruhige Hausgemeinschaft. Schlüssel zur Besichtigung bei uns.

Nur kurzfristig Sonnenfinsternis

Greta hat die drei Diagnoseschritte seit vorgestern gut überstanden. Bei der Szintigraphie am Mittwoch ist sie von alleine in der Röhre eingeschlafen. Nun hat sie ein langes Wochenende vor sich. Erst Dienstag muss sie wieder in die Ambulanz zum Blutwerte-Check.
Auf den ersten Blick sieht es wohl so aus, als ob die Metastasen in Knochen und Lymphknoten zurückgegangen wären, aber Genaueres lassen die Ärztinnen erst nach gründlichem Studium aller Daten heraus. Montag sitzen sie alle zusammen und beraten über das weitere Vorgehen, Dienstag erfahren wir mehr. Wahrscheinlich wird dann die MIBG-Therapie angesetzt. Die Abkürzung steht für Meta-Jodobenzyl-Guanidin. Das ist ein Stoff, der von den Neuroblastomzellen gespeichert wird. Reichert man ihn (schwach) mit dem Jod-Isotop 131 an, kann man an der Beta-Strahlung gut ablesen, wo sich noch Krebsnester befinden (MIBG-Szintigraphie). Reichert man ihn stark an, werden damit die Krebszellen unmittelbar bekämpft, sozusagen von innen ausgeräuchert. Das haben sie mit Greta nun vor. Die Behandlung dauert in der Regel fünf Tage und ist vergleichsweise ungefährlich.
Der Vater nimmt den Auftrag der anstehenden drei Wochen ernst und pflegt jetzt in erster Linie die Ressource Papa. Seit gestern habe ich Urlaub. Morgen fahre ich gemütlich nach Kiel und hole Stella und Clara ab. Hoffentlich wollen sie überhaupt mitkommen.

Sonntag, 27. Juli 2008

Was machen eigentlich die Tiere?

Bei Karl May kann man lesen, dass der Lederdress des West-Mannes nicht nur gegen Kälte, sondern auch gegen Hitze schützt. Ich konnte das schon als Zwölfjähriger nicht glauben. Bei den Tieren ist das aber anders. Denn die Eichhörnchen und Kaninchen, von denen gerade Unmengen von Jungtieren durchs Rosental hoppeln, verdrießt ihr Fell gar nicht, während unsereins am liebsten im wohltemperierten Keller hockt und verwaltet oder bügelt.
Vorgestern stolzierte ein Pfau über die hundertdreißig Jahre alten Steinplatten des Trottoirs der Feuerbachstraße. Im Zoo war die Woche wohl Tag der offenen Tür. Gestern früh ist mir beim Laufen eine Art Reh begegnet, das sicherlich nicht seinen festen Wohnsitz in dem Park hat. Auch der riesige braune Raubvogel, den ich dort manchmal aufscheuche, gehört nicht zum Grundbestand eines Stadtparks, aber von Habichten liest man, dass sie gelegentlich in urbanen Habitaten leben.
Von jenseits der Waldstraße hört man zu allen Tageszeiten Gejaule und Gekläffe, welches aus dem Tierheim kommt. Das ist ein vollkommen trostloser Ort, der mit Bedacht zwischen Straße, Wald und Sportplatz angesiedelt ist, denn daneben könnte kein Mensch wohnen. Die Anlage ist mit verbretterten Fensterlöchern, Zaun und Stacheldraht verbarrikadiert wie ein Gefängnis, hineinschauen kann man nicht, hineingehen anscheinend auch nicht. Jede Kaserne ist einladender. Ich muss in den Ferien mal mit Stella und Clara dorthin gehen, vielleicht nehmen sie dann Abstand von dem langfristig gehegten Wunsch, später mal ein Tierheim aufzumachen.
Gretas Lieblingstier ist im Moment der Pom-Bär, ein geformtes Salzgebäck aus dem Konsum (in Augenhöhe von Dreijährigen positioniert), von dem sie momentan mehrere Tüten am Tag futtert. Und die Eltern, hach, sind glücklich, wenn das dürre Kind überhaupt etwas zu sich nimmt. Wenn Greta durchkommt, wird sie bestimmt die Allermäkeligste der Lenger-Schmal-Frauen werden und das Kochen für die Familie dann erst recht kein Vergnügen mehr sein.
Bei den Großeltern ist das offenbar kein Thema. Stella und Clara haben sich eine weitere Woche in Kiel genehmigt und vermissen ihre Postanschrift überhaupt nicht. Tatsächlich ist es sehr ruhig im Viertel geworden, wesentliche Bestandteile der Nachbarschaft sind im Urlaub. Nie war es so leicht, einen Parkplatz zu finden.

Mittwoch, 23. Juli 2008

Sehr ruhiger Abend

Gretas Blutwerte sind heute verbessert. Ein Heimurlaub zum Wochenende hin ist realistisch. Mit diesem neuerlichen langen Krankenhausaufenthalt haben wir gar nicht gerechnet. Ich komme im Moment von der Arbeit nachhause und bin alleine. Den ersten Tag war das richtig schön. Viel mehr als joggen und sehr früh schlafen gehen fällt mir aber nicht ein. In meinem Lieblingsballerspiel bin ich gerade sensationell mit drei Schiffen ins letzte Level gelangt, dort aber gescheitert.
Ich könnte eine altertumswissenschaftliche Dissertation lesen, die ich besprechen soll, habe aber keine Lust. Tatsache ist, dass ich wieder mehr lese als vor zwei oder vier Jahren. Querbeet, nicht zu anspruchsvoll, nur auf Deutsch. Bin für jeden guten Literaturtipp dankbar. Jetzt ist Sofa-Zeit.

Sonntag, 20. Juli 2008

Wer betreut die Eltern?

Mit dem friedlichen Wochenende zuhause ist es nichts geworden. Gretas Blutwerte waren so schlecht, dass sie sie am Freitag gleich in der Klinik behalten haben. Vielleicht kommt sie morgen heraus, vielleicht auch nicht. Ansonsten haben wir Behandlungsferien bis zum 30.07. Dann findet die Szintigraphie statt, am Tag drauf die zweite Messung, am 01.08. schließlich ein Ganzkörper-MRT, dreimal hintereinander Narkose. Danach werden wir mehr wissen, sowohl über Gretas Prognose als auch über die konkret anstehenden Behandlungsschritte. Uns ist etwas unheimlich zumute. Wir hatten uns so schön eingerichtet in der gut laufenden Chemotherapie. Man tut seine Pflicht als Betreuer und denkt, durch Fleiß kommt man schon irgendwie ans Ziel.
Die intensive Elternbetreuung kranker Kinder in der Klinik ist ein ziemlich neues Phänomen. Vor fünfzig Jahren wurden die Eltern regelrecht verbannt, weil die Kinder sich an die Umgebung gewöhnen und dort parieren sollten. In meiner Kindheit gab es Besuchszeiten von wenigen Stunden pro Tag. Heute werden die Angehörigen aktiv mit einbezogen in die Therapie. Die Frage ist, ob die Kosten für den vergrößerten Raum, der jedem Kind zur Verfügung steht, durch Sparmaßnahmen am Personalbetreuungsschlüssel wieder hereingeholt werden.
Das Konzept „Krankenpflege durch Eltern“ ist so neu, dass die Krankenkassen eigentlich nur für jene Phasen die Haushaltshilfe und Geschwisterkinderbetreuung bezuschussen, in denen der Patient nicht in der Klinik ist. Denn wenn er in der Klinik ist, so die Logik des herkömmlichen Modells, ist er ja voll betreut, und die Eltern können sich zuhause um alles andere kümmern.
Es gibt übrigens auch im Krankenhaus immer noch viele Kinder, die halbe Tage alleine sind und nur gelegentlich von den Schwestern bespaßt werden. Auch solche Kinder werden mitunter gesund. Ob es zum Thema „Abhängigkeit des kinderonkologischen Therapieerfolgs von sozialen Faktoren“ schon Langzeitstudien gibt? Für sachdienliche Hinweise wäre ich dankbar. Inzwischen glauben wir einfach an diese Abhängigkeit und sind weiter fleißig.
Greta ist ziemlich ruhig und isst wenig. Wir haben gestern ein paar neue Spiele ausprobiert. Ich habe Domino gelernt, was gar nicht so banal zu sein scheint. Die ersten 43 Jahre meines Lebens habe ich dieses Spiel immer nur mit reihenweise umfallenden Klötzchen in Zusammenhang gebracht. Stella und Clara geht es hervorragend in Kiel. Es ist sehr ruhig in der Wohnung. Wenn ich Kinder im Hof höre, werde ich etwas wehmütig.
Gestern auf heute war lieber Besuch aus Österreich da, dem wir freilich viel zu wenig gerecht werden konnten. Ich habe heute Vormittag Stadtführer gemacht, meinen Stadtplan vergessen und mich prompt verlaufen. Das Cicerone-Naturtalent war ich noch nie, aber in dieser Stadt bin ich doch auch nach anderthalb Jahren bemerkenswert fremd. Die Gründe dafür sind bekannt. Ich arbeite daran, endlich Nikolai- und Thomas-Kirche auseinander zu halten und das Gewandhaus vom Opernhaus zu unterscheiden. Ansonsten Feuerbachstraße statt Auerbachs Keller.

Freitag, 18. Juli 2008

Lieblingsbeschäftigungen II

Endlich Ferien, das war eine harte Saison!

Greta hoch zu Ross

Achtung Stella! Papa baut die Abseitsfalle auf.


Stella Antonia beim Handstand. Rooney schaut zu.


Clara Carlotta kann es auch. Rooney schaut zu.

Raúl Cristiano Hamilton Lope de Vega Rooney Bravo macht einen Handstand, steht elf Sekunden auf den Vorderhufen und kippt dann hinten über! Leider war Steffi so überrascht, dass sie das Bild verwackelt hat. Zum Glück ist niemandem etwas passiert.






Sonntag, 13. Juli 2008

Ferien

In Sachsen sind Schulferien. Clara erzählt jedem, dass sie nun kein Vorschulkind mehr sei, sondern ein echtes Schulkind. Stellas Zeugnis war mit nur einer Drei so passabel, dass wir uns denken: Wenn die umständebedingte Vernachlässigung aufhört, wird es am Ende für eine Gymnasialempfehlung reichen. Die Schwiegereltern kommen heute Abend hierher und nehmen die Großen am Dienstag für zwei Wochen mit nach Kiel. Stella und Clara freuen sich so unmäßig darauf, dass wir uns schon fragen, ob wir hier überhaupt eine artgerechte Kinderhaltung betreiben.
Greta wird nicht begeistert sein, wenn sie Mittwoch (?) nachhause kommt, und ihre Schwestern sind weg. Dafür hat sie jetzt ein kleines, praktisches DVD-Abspielgerät mit Klapp-Bildschirm, das sie ausgiebig nutzt, im Moment vor allem für „In einem Land vor unserer Zeit“. Der dritte Spielfilm dieser Dinosaurier-Saga zeigt vor allem, dass das Setting der Handlung nur begrenzten Spielraum lässt. Die einfältigen Viecher können eben nicht viel mehr als Fressen, Spielen, Beinahe-in-eine-Schlucht-Fallen und Weglaufen. Verfolgt werden sie immer vom „Scharfzahn“, einem T-Rex-Verschnitt, der laut brüllt, grausam aussieht und niemals Schaden anrichtet. Bei den endlosen Verfolgungsjagden kann es passieren, dass so eine riesige Kampfmaschine minutenlang einem hühnergroßen und hühnerschnellen Baby-Dino hinterherstapft, ohne diesen zu fangen. Am Ende verlaufen die Angreifer sich in einer Schlucht und kriegen Steine auf den Kopf, die die guten Dinos hinunterrollen. Was sollen vier Dino-Kinder auch sonst tun? Wir lernen viel von diesen Filmen: Etwa, dass die Erde „damals“ ganz anders war. Überall Vulkane und Erdbeben, halt irgendwie instabil (das erweitert nämlich den Handlungsspielraum). Die Dinos hätten auch schon verinnerlicht, dass sich dauernd was ändert und dass irgendwann die Säugetiere kommen. Ist ja wahr: Viel länger als 100 Millionen Jahre hat man sie nicht in Ruhe gelassen. Was würden sie wohl zu unserem heutigen Leben sagen? Macht nichts. Für Dreijährige sind die Filme offenbar genau richtig.
Die achte und letzte reguläre Chemo ist morgen zuende, ein langer und schwerer N6-Block, den Greta wieder hervorragend weggesteckt hat. Es ist schon so: Die Kommentare, dass Greta eine äußerst strapazierfähige Patientin sei, gehen deutlich über die Berufshöflichkeit von Schwestern und Ärztinnen hinaus. Wir sehen im Umfeld selbst, wie viele krebskranke Kinder durch vermeintliche Bagatellen in ihrem Heilungsprozess aufgehalten oder zurückgeworfen werden, durch Infektionen aller Art, Unverträglichkeiten von Medikamenten, sonstige unerwartete Komplikationen. Greta hat so ziemlich das härtestmögliche Behandlungsprotokoll und liegt nach acht Monaten kaum sechs Wochen hinter der Ideal-Terminierung des Therapieschemas zurück. Gemessen an den vorbereitenden Gesprächen vom November, als die Ärzte sich zu einem realistischen Zeitplan überhaupt nicht äußern wollten, können wir mit dem bisherigen Verlauf der Behandlung hochzufrieden sein. Dass die Therapie letztlich ausreichend wirkt, ist damit leider nicht gesagt.
Eines der Medikamente geht momentan auf die roten Blutkörperchen und den Sauerstofftransport, die Folge ist ein erhöhter Puls. Es soll Kinder geben, die dadurch müde werden. Ich habe Greta gestern um zehn nach elf verlassen, als sie endlich schlief. Heute sagte die Schwester, das Kind sei um halb zwei wieder aufgewacht und danach nicht mehr eingeschlafen. Immerhin hat sie uns die lange gefühlte Abwesenheit nicht krumm genommen. Sie war heute quietschvergnügt, ja regelrecht aufgedreht. Wenn die Kleine im Moment mit wenig Schlaf auskommt, ist das schön für sie, für den Vater gilt das aber nicht in gleichem Maße.

Unfälle

Infusomaten heißen jene treuen Helferlein, die niemals erwähnt werden, weil sie einfach nur ihren Dienst tun, indem sie die zahllosen Infusionen kontrolliert in den Katheter bringen, von kleinen Motoren angetrieben, elektronisch gesteuert und dadurch zu größter Präzision befähigt. Ganz stumm sind die gut zigarrenschachtelgroßen Teile nicht, im Gegenteil, sie schlagen Alarm, wenn Luft im System ist, wenn die Spritze leer oder ein Durchfluss nicht frei ist, auch dann, wenn sie zu lange vom Strom abgekoppelt sind. Die Laute der Infusomaten begleiten Schwestern, Patienten und Besucher durch den Tag. Wer glaubt, diese elektronischen Pumpen hätten keine Seele, der irrt. Gestern ist nämlich eine vom Tisch gefallen. Die Kreatur hat in einer sonst ganz ungekannten Tonart gebrüllt und war gar nicht mehr zu beruhigen. Durch nichts. Die Schwestern haben davon abgesehen, sie aus dem Fenster zu werfen, und mein Vorschlag, es mit dem Wasserbad zu versuchen, wurde auch verworfen. Schließlich befriedeten sie das Gerät notdürftig im Wäscheschrank unter einem Berg von Betttüchern. Dort schrie der Infusomat noch mehrere Stunden lang, bis seine Akkus leer waren.
Steffi ist gestern von Rooney abgeworfen worden und schleppt sich so dahin. Immerhin dürfen wir aus diesen Aktivitäten schließen, dass ihre Nierenentzündung rückläufig ist. Ich habe ihr gesagt, dass ich im Falle eines Querschnitts gerne ihren Rollstuhl schöbe, aber dass es mit dem Reiten endgültig vorbei sei. Wahrscheinlich fährt sie dann Sulky und geht unter die Traber. Ich weiß, das reimt sich auf makaber.

Mittwoch, 9. Juli 2008

Hauptsache man hat Eis

Heute war Abschlussfeier in der Lessing-Schule. Ein diesbezügliches Zettelchen war rasch im Haushalt verschwunden, präzise Infos gab es nicht mehr, ich wollte den Termin ignorieren. Unter der Woche ist für mich früher Abend schon später Abend. Dann fing Stella an zu nörgeln. Alle gehen hin. Morgen erzählen sie in der Klasse, wie toll es war. Ich hatte keine Lust. IMMER bin ich diejenige, welche ... Nun wollte sogar Clara mitgehen. Großzügig, wie ich bin, ließ ich die beiden dann alleine losziehen. Ich hatte nur ganz wenig schlechtes Gewissen und war einfach froh, meine Ruhe zu haben.
Nach fünf Minuten standen zwei ganz traurige Mädchen vor der Wohnungstür. Bei der zweiten Querstraße hatten sie sich nicht mehr weitergetraut. Also sind wir doch zu dritt los. Aber die Schule war zu, alles dunkel, alles verschlossen, Klingeln zwecklos, keine Elternautos vor dem Tor, keine Feier. Wieder traurige Mädchen. Wer aufhatte, war der Softeis-Mann auf der Waldstraße. Dort saßen wir schließlich, mit dem Schicksal versöhnt, und Clara meinte: Hauptsache man hat Eis.
Gretas achte Chemo hat am Montag angefangen, es gibt keine Komplikationen. Steffi hat allerdings eine leichte Nierenentzündung und steht unter Medikamenten. Dafür haben wir unseren Fuhrpark entscheidend vorangebracht. Ich hatte gestern unser TÜV-fälliges Mobil vor der Werkstatt abgestellt. Der Zustand war so, dass der freundliche Mechaniker mich gleich in der Mittagspause vom Verlag abholte, um mit mir das weitere Vorgehen zu erörtern. Das wird ungefähr sechzehn mal so teuer wie die Fahrradreparatur vom Vortag. Aber morgen ist es fertig. Auto heil und Fahrrad heil. Alles wird gut.

Sonntag, 6. Juli 2008

Wurzeln

Greta hat die Zahnbehandlung am Freitag unter Narkose gut überstanden. Wirklich dramatisch war es nicht, nur ein paar kleinere Löcher zu stopfen. Die wieder heilen Zähne beißen anscheinend besser zu, jedenfalls pflegt Greta inzwischen fast normale Nahrungsaufnahme. Sie ist auch weiterhin fröhlich und unternehmungslustig, war heute den halben Tag mit Steffi bei den Pferden. Die Haare sind bisher noch nicht wieder ausgefallen, was hoffentlich kein schlechtes Zeichen ist. Es könnte auch sein, dass die letzten Chemos in keiner Weise mehr anschlagen. Morgen, Montag, geht es weiter, mindestens in die Ambulanz, eventuell auch gleich zum achten Chemo-Block. Die Blutwerte waren die letzten Tage deutlich verbessert. Die Chancen steigen, dass Jena mindestens teilweise in die Schulferien und in Papas Jahresurlaub im August fallen wird.
Dem Vater geht es übrigens gut, danke der Nachfrage. Der war die Woche zum Seminar in München, wo er Manches gelernt und mehr gutes Bier getrunken hat. München ist ja eine Wohlfühlstadt. In München scheint immer die Sonne, außer wenn es regnet.
Am Samstag haben Stella und Clara das Urgroßelternhaus in Köthen kennen gelernt, wo Vetter Michael seinen 50. Geburtstag gefeiert hat. Die ganze Familie traf sich, Vetter Roland war gleich aus München mitgekommen. Die Großen waren begeistert, nicht nur, weil sie bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal mit vollem Bewusstsein Eisenbahn gefahren sind. Sie tauchten sofort im Schwarm der Kinder unter, haben zwei Stunden gebadet, jede mindestens fünf Stück Kuchen gefuttert und wollten gar nicht wieder weg. Kurzum, es muss für sie ungefähr so gewesen sein wie die nämlichen Familienfeste vor einem Drittel Jahrhundert für die damaligen Kinder. Der große Märchengarten vom Haus ist allerdings noch besser geworden.

Familienmitglieder bei Lieblingsbeschäftigungen

Quarkbällchen schmeckt wieder.

Schöne Frau mit Pferd

Clara und Nutellabrötchen



Paula und Stella auf dem Wellenspielplatz










Sonntag, 29. Juni 2008

Wohnung frei

Das Wochenende war bisher sensationell erholsam, selbst längere Telefonate waren mal wieder drin. Die Kindergemeinde mischte sich bunt bei uns und in der Nachbarschaft, inhäusig oder draußen. Gretas Blutwerte sind ungefähr so niedrig, wie die Chancen von Kurt Beck, Bundeskanzler zu werden, zumal es ja immer Frau Merkel ist, die mit Löw und Schweinsteiger flirten darf. Früher hätten sie uns mit dieser Leukozytenzahl gar nicht nachhause gelassen, aber bei dem trockenen und warmen Wetter ist die Ansteckungsgefahr deutlich niedriger. Bis auf gelegentliches leichtes Nasenbluten geht alles gut, und Greta genießt es wirklich mit ihren Schwestern und mit uns. Nachts schläft sie wie ein Stein elf Stunden durch, auch das hatten wir lange nicht mit ihr.
Morgen muss sie turnusmäßig zur Ambulanz, der nächste wichtige Termin ist der 4.7., wenn sie unter Narkose ihre Zähne komplett saniert bekommt. Die haben in den letzten Monaten etwas gelitten und müssen vor Jena, wo Keimarmut wichtig ist, bereinigt werden. Wenn die Blutwerte mitmachen, wird übernächste Woche dann schon die achte und letzte Chemotherapie einsetzen. Ich selbst bin in der nächsten Woche ab Dienstag nicht da, weil ich auf ein lange geplantes Seminar nach München fahren muss (darf). Zum Glück werden wiederum die Schwiegereltern in die Bresche springen.
Unsere direkten Nachbarn sind ausgezogen. Das Mittfünfziger-Ehepaar wohnte höchstens zwei Jahre dort und musste in dieser Zeit mit ansehen, wie der Hausbestand an unter-zehnjährigen Kindern von drei auf acht anstieg. Nicht jedem gefällt das. Für Mitleid ist es jedoch zu spät, stattdessen hoffen wir, dass sich durch den Neubezug die Kinderzahl auf zehn erhöht. Derweil hören wir, dass sich unser Freundeskreis im Waldstraßenviertel um einen Kunstschaffenden vergrößern wird. Willkommen in der Funkenburgstraße!
Steffi war gestern ausführlich reiten und hat vorhin Greta zu den Pferden mitgenommen, damit es ihr nicht so auffällt, wenn nachher ihre Schwestern weg sind. Schluss mit lustig! Wir müssen ins Wirtshaus aufbrechen, um noch Sitzplätze zu ergattern. Dann wird es ernst.

Samstag, 28. Juni 2008

Warum kein TV?

Ihr fragt euch wahrscheinlich schon länger, warum die Schmal-Familie kein Fernsehgerät im Betrieb hat und zur EM derartig improvisieren muss. Nein, wir sind keine Sektierer, das Leben besteht nicht nur aus Büchern, und Geld für die GEZ wäre gerade noch da. Die sind übrigens ganz schön hartnäckig, weil sie uns nicht glauben wollen, dass wir nur Radiogeräte laufen haben. Irgendwann werden sie vorbeikommen und Kabelanschluss, Kabel sowie ein einsatzbereites TV-Gerät im Rumpelkeller vorfinden.
In Bamberg, Hannover und Braunschweig lief der Fernseher, für die Erwachsenen bestand das Angebot aber praktisch nur aus fußballerischen Großereignissen und dem Tatort. Letzterer fand leider sein Ende, als wir irgendwann Stella nicht mehr rechtzeitig ins Bett bekommen haben. Stella war dann diejenige, die das TV für sich entdeckt hat, Clara zog nach. Und da vor allem die Große einen gewissen Hang zu Konsum und Bequemlichkeit hat, beherrschte der Kinderkanal bald das Wohnzimmer. In Braunschweig überschritten die täglichen Fernsehzeiten der Kinder zuletzt alles, was selbst liberale Pädagogen noch als unbedenklich bezeichnen würden. Das wurde natürlich nicht besser in der ersten Jahreshälfte 2007, als unter der Woche immer nur eine elterliche Betreuungsperson zur Verfügung stand. Nach dem Umzug letzten Sommer haben wir dann das TV nicht gleich angeschlossen. Überraschenderweise fand der Protest der Kinder kaum statt. Es war ja auch Sommer und das neue Viertel voller Kinder.
Dann kamen der Herbst und Gretas Krebsbehandlung. Wir sind sehr schwankend geworden, haben aber gedacht: Wenn die Großen jetzt nachmittags unbetreut sind und der Vater nach Arbeit und Einkäufen keine große Lust auf aktives Kinderbespaßungsprogramm hat, dann werden Stella und Clara bald acht Stunden am Tag fernsehen. Deshalb unsere Sturheit in dieser Frage. Morgen ist alles vorbei, und in zwei Jahren werden wir zu fünft in die Kneipe gehen.

Donnerstag, 26. Juni 2008

Kräfte schonen

Geruhsamer vorwochenendlicher Abend in der Feuerbachstraße. Clara hat Kurzpass-mit-der-Wand trainiert, Stella gegärtnert, Papa war laufen. Die Schwestern haben sich über „ihre Männer“ unterhalten. Stella hatte Streit mit ihrem, der sie mit einem Ei beworfen hat. Aber dann haben sie sich wieder vertragen. Clara hat bereits eine erweiterte Perspektive. Ihre ersten Männer seien doof gewesen, meint sie, aber dann habe sie doch einen gefunden, der nett ist. Der heißt Schweini.
Heute ist kein Fußball. Das zweite Halbfinale wird verschwiegen. Die Großen wissen zwar schon, wer da gegen wen spielt, aber mit Terminen haben sie es noch nicht so. Wir sparen unsere Kräfte für Sonntag.
Greta ist guter Dinge und hat jetzt überwiegend erholsame Tage zuhause. Nachdem sie von Montag bis Mittwoch in der Klinik war wegen MRT und extremem Zelltief, ist sie jetzt stabil und muss erst übermorgen wieder in die Ambulanz. Das Bauch-MRT zeigt einen sehr kleinen Tumor-Rest, der wahrscheinlich inaktiv ist und im Moment keine Rolle spielt. Wundflüssigkeit ist nicht nachgelaufen. Greta geht auch langsam wieder zu ihrer gewohnten Ernährung über: also Eis, Würstchen, Minipizza, Schokolade und Quarkbällchen.

Sonntag, 22. Juni 2008

Heute bitte kein Fußball

Schade, schade, man muss bei solchen Turnieren auch mal ein schlechtes Spiel gewinnen, das haben Italiener und Deutsche einfach besser drauf. Die Holländer sind, rechnet man die internationalen Erfolge der letzten 35 Jahre gegen die Einwohnerzahl, die größte Fußballnation der Welt. Wir haben das Volk traditionell sehr gern, schon weil die netten Nachbarn immer das Weihnachtsgeschäft auf Kö und Schadowstraße ankurbeln und weil Steffi mal in Utrecht studiert hat. Mit Freude erinnere ich mich an jenen romantisch verregneten Novemberabend 2003 mit meiner Frau in einem Pariser Hotel, als die Niederländer in der Euroquali mit einem wie vom Himmel gestiegenen Ruud van Nistelrooy die Schotten von Berti Vogts mit 6:0 vernascht haben. Leider gibt’s diesmal kein deutsch-holländisches Gipfeltreffen.
Weil das Frosch Café eine Theateraufführung brachte, sind wir gestern im verqualmten Papperlapapp gelandet und haben für eine deutliche Verjüngung des Publikumsdurchschnitts gesorgt. Stella war für die Russen, weil sie eine Freundin mit russischem Vater hat. Clara kann die Völkerschaften noch nicht so ganz auseinanderhalten, obwohl sie beim „Café International“ schon Bemerkenswertes leistet. Steffi stand mit Greta vor der Tür und beschloss, dass sie mit dem kranken Kind da nicht hineingehen könne. Die beiden Großen waren wieder tapfer dabei, zum Preis von Chips und Cola. Aber mit Verlängerung ist es dann doch hart. Heute haben alle bis zehn geschlafen. Steffi geht reiten, Clara muss zum Kindergeburtstag und Papa freut sich auf einen geruhsamen Bügelnachmittag. Italien und Spanien werden wir heute Abend wohl ihrem Schicksal überlassen.

Freitag, 20. Juni 2008

Wieder zu fünft

Ich warte nur darauf, dass meine großen Töchter Deutschland-Fähnchen einfordern und Ballack-Trikots, jetzt, nachdem sogar in Sachsen die Euphorie ausgebrochen ist. Am Donnerstagabend kam die Stunde der Wahrheit: Steffi und Greta in der Klinik. Stella, Clara und ich zuhause ohne TV, Anstoß zum Deutschlandspiel 20:45 Uhr. Wir haben dann das einzig Vernünftige getan und sind zu dritt ins Frosch Café gegangen. Dort saßen unzählige Kinder in der Altersklasse, von denen offenbar niemand an den nächsten Tag dachte. Später kam Steffi noch dazu. Es war ein wunderbarer Fußballabend.
Greta ist nach sechseinhalb Wochen Klinik wieder zuhause, geplant bis Montag Abend, weil Dienstag ein MRT stattfinden soll. Die Kleine ist gut gelaunt und rennt schon wieder herum, redet wie ein Wasserfall. Nur etwas blass ist sie unter ihrem zarten Haarflaum.
Wir hatten die Kinderzimmer umgeräumt, Stella musste ihr Einzelzimmer hergeben, damit wir für Greta dort einen höheren Hygienestandard gewährleisten können. So haben es sich zumindest die Erwachsenen gedacht. Die Schwestern haben allerdings sofort das Reise-Kinderbett in ihrem großen Zimmer aufgebaut, damit Greta darin und also alle zusammen schlafen können.

Sonntag, 15. Juni 2008

Chemo läuft, Greta auch

Die siebte Chemo läuft seit Freitag, ein kurzer Block, der Dienstag endet. Mittwoch oder Donnerstag wird Greta endlich mal wieder nachhause kommen, nach über sechs Wochen. Heute waren die Schwestern zu Besuch, die Familie für zwei Stunden im Krankenzimmer vereint. Das war für alle sehr schön, der Abschied für Greta freilich um so trauriger.
Nach dem achten Chemo-Block wird eine Szintigraphie gemacht, die darüber Auskunft geben soll, wie sich die Metastasierung im Körper entwickelt hat. Denn während wir an der Front des Haupttumors einen überzeugenden Sieg eingefahren haben, wissen wir über die Peripherie momentan wenig. Die Szintigraphie entscheidet darüber, ob nach der achten und letzten regulären Chemotherapie gleich die Megatherapie einsetzt (fünf Wochen Jena) oder ob es wichtiger ist, für die Metastasenbekämpfung MIBG und Bestrahlung vorzuziehen. Dann würde Jena sicher nicht mehr vor September stattfinden.
Greta ist einigermaßen munter. Sie läuft immer noch ziemlich stakelig, tritt aber schon wieder vor den Ball und fährt Dreirad. Sie muss weiterhin fettfrei essen und hat während der Chemo sowieso kaum Hunger. Erstaunlicherweise funktioniert das alte Spielchen „ein Happs für diesen, ein Happs für jenen ...“ auch bei Greta zuverlässig. Zum Glück ist die Familie groß, auch Pferde und Katzen sind überzeugende Futterbedürftige.
Sollte Greta durchkommen, müssen wir sie wohl resozialisieren. Kranken Kindern lässt man ja alles durchgehen. Spaghetti isst sie einzeln mit den Fingern. Besser geht es, bin ich heute drauf gekommen, wenn man sie füttert und wenn man die Spaghetti dabei zum Leben erweckt und in fiese Würmer verzaubert, die zappeln und schreien. Das mag sie gern. So eine Mahlzeit kann sich hinziehen.
Gretas geistige Entwicklung ist heterogen. Maumau schleppt sich so dahin. Trotz intensiven Trainings kann die Kleine immer noch nicht sicher Farbe von Symbol kategorial trennen. Und von Annalena hat sie sich angewöhnt, die Damen als besonders wertvoll zu erachten, was bei Maumau einfach nicht zielführend ist. Dafür hat sie mich heute echt verblüfft. Greta mag Karten und Stadtpläne. Gestern habe ich ihr auf dem Leipzig-Stadtplan gezeigt, wo der Bahnhof ist, wo der Zoo und die Autobahn, und wo wir wohnen. Heute klappt Greta den Stadtplan auf und zeigt mir, wo der Bahnhof ist, wo der Zoo und die Autobahn – und wo wir wohnen! Wer mich kennt, weiß, dass solches von meiner Tochter nicht unbedingt zu erwarten war.
Mit dem Zählen geht es auch voran. Von vier bis zehn klappt es schon prima. Das Problem sind die Zwei und die Drei. Die Zwei findet einfach nicht statt. Es ist auch blöd ausgedacht, dass die drei ersten Zahlen auf „ei“ lauten, und die Konsonanten von „Zwei“ sind einfach zu schwer. Wenn ich mich recht erinnere, haben sowohl sämtliche Töchter als auch sämtliche Patenjungs ein Jahr lang die „Zwei“ ausfallen lassen.