Sonntag, 15. Juni 2008

Chemo läuft, Greta auch

Die siebte Chemo läuft seit Freitag, ein kurzer Block, der Dienstag endet. Mittwoch oder Donnerstag wird Greta endlich mal wieder nachhause kommen, nach über sechs Wochen. Heute waren die Schwestern zu Besuch, die Familie für zwei Stunden im Krankenzimmer vereint. Das war für alle sehr schön, der Abschied für Greta freilich um so trauriger.
Nach dem achten Chemo-Block wird eine Szintigraphie gemacht, die darüber Auskunft geben soll, wie sich die Metastasierung im Körper entwickelt hat. Denn während wir an der Front des Haupttumors einen überzeugenden Sieg eingefahren haben, wissen wir über die Peripherie momentan wenig. Die Szintigraphie entscheidet darüber, ob nach der achten und letzten regulären Chemotherapie gleich die Megatherapie einsetzt (fünf Wochen Jena) oder ob es wichtiger ist, für die Metastasenbekämpfung MIBG und Bestrahlung vorzuziehen. Dann würde Jena sicher nicht mehr vor September stattfinden.
Greta ist einigermaßen munter. Sie läuft immer noch ziemlich stakelig, tritt aber schon wieder vor den Ball und fährt Dreirad. Sie muss weiterhin fettfrei essen und hat während der Chemo sowieso kaum Hunger. Erstaunlicherweise funktioniert das alte Spielchen „ein Happs für diesen, ein Happs für jenen ...“ auch bei Greta zuverlässig. Zum Glück ist die Familie groß, auch Pferde und Katzen sind überzeugende Futterbedürftige.
Sollte Greta durchkommen, müssen wir sie wohl resozialisieren. Kranken Kindern lässt man ja alles durchgehen. Spaghetti isst sie einzeln mit den Fingern. Besser geht es, bin ich heute drauf gekommen, wenn man sie füttert und wenn man die Spaghetti dabei zum Leben erweckt und in fiese Würmer verzaubert, die zappeln und schreien. Das mag sie gern. So eine Mahlzeit kann sich hinziehen.
Gretas geistige Entwicklung ist heterogen. Maumau schleppt sich so dahin. Trotz intensiven Trainings kann die Kleine immer noch nicht sicher Farbe von Symbol kategorial trennen. Und von Annalena hat sie sich angewöhnt, die Damen als besonders wertvoll zu erachten, was bei Maumau einfach nicht zielführend ist. Dafür hat sie mich heute echt verblüfft. Greta mag Karten und Stadtpläne. Gestern habe ich ihr auf dem Leipzig-Stadtplan gezeigt, wo der Bahnhof ist, wo der Zoo und die Autobahn, und wo wir wohnen. Heute klappt Greta den Stadtplan auf und zeigt mir, wo der Bahnhof ist, wo der Zoo und die Autobahn – und wo wir wohnen! Wer mich kennt, weiß, dass solches von meiner Tochter nicht unbedingt zu erwarten war.
Mit dem Zählen geht es auch voran. Von vier bis zehn klappt es schon prima. Das Problem sind die Zwei und die Drei. Die Zwei findet einfach nicht statt. Es ist auch blöd ausgedacht, dass die drei ersten Zahlen auf „ei“ lauten, und die Konsonanten von „Zwei“ sind einfach zu schwer. Wenn ich mich recht erinnere, haben sowohl sämtliche Töchter als auch sämtliche Patenjungs ein Jahr lang die „Zwei“ ausfallen lassen.

1 Kommentar:

hibou hat gesagt…

Hallo ihr Lieben,
auch bei unser Marlene kann sich das Essen oft lange hinziehen, am besten klappt auf Papas Beinen sitzen, von einem Teller essen und tatsächlich auch das Füttern, verrückt nicht, die Mäuse eignen sich schon auf so vielen Ebenen die Welt an und dann möchten sie wieder gefüttert werden. Ich habe noch eine ganze Weile drüber nachgedacht, was du neulich über die Verpflegung und die Hygiene in der Klinik erzählt hast, unglaublich, könnt ihr Greta nicht im Park eine Extraportion geben oder gelten dort auch noch bestimmte Regeln ... ich wäre an eurer Stelle schon oft verrückt geworden.

Hoffentlich klappt es vielleicht im nächsten Jahr mit einem Besuch, ich wünsch euch so sehr, dass ihr die Klinik mal hinter euch lassen könnt, kein Bangen auf das nächste Untersuchungsergebnis, zusammensein als Familie, das Leben anstatt Krankheit und Tod im Zentrum des Lebens erleben können. Die Kunst sich auf das Leben zu konzentrieren beherrscht ihr ja schon so vorbildlich, ihr werdet das alles packen, ich bin mir ganz sicher und drücke die Daumen, dass die nächsten Untersuchungen nur Gutes ans Tageslicht bringen werden.
Ich denk an euch und schicke die Konzerte, die die Vögel hier singen an euch weiter.
Alles Liebe von Traute