Sonntag, 25. Januar 2009

Winter-Pause

Gretas Wiederaufstieg ist unübersehbar. Ich kann mich gar nicht erinnern, dass sie so ein lebhaftes Kind war, und frage mich, warum ausgerechnet der Vater in ihrem Leben gerade eine so wichtige Rolle spielt, wo sie doch meistens mit der Mutter im Krankenhaus war. Wenn ich nachhause komme, muss ich sie füttern, mit ihr turnen, Fangen spielen, Film anschauen, Zähne putzen, meist schon dann, wenn ich die Jacke noch anhabe. Immerhin hilft sie mir dann sofort aus den Schuhen.
Ihr Verhandlungsvokabular erweitert sich deutlich: „Ich mach dir einen Vorschlag!“ oder „Komm schon, Papa!“ Noch weiter ist Clara, die nach einem handgreiflichen Streit beim Abendbrot dozierte: „Man soll nicht zurückschlagen, sondern reden.“ Schlaue Kinder.
Tanzen ist angesagt. Eine ehrgeizige Musiklehrerin fordert Training. Vorgestern haben bei uns vier Mädchen zu Nenas „99 Luftballons“ sehr possierlich ihre Übungen gemacht.
Mit dem Dankesfest wird es im nächsten halben Jahr nichts. Steffi meint, wir sollten nicht durch Voreiligkeit das Schicksal herausfordern. Ist ja wahr, fassen wir uns in Geduld und sammeln weitere gefühlte Prognoseprozentpunkte. Wir brauchen eure gedrückten Daumen immer noch. Deswegen geht dieser Blog auch weiter.
Joggen war am Wochenende im Rosental fast unmöglich, weil der plattgetretene Schnee zu unebenem Eis zusammengeschmolzen war mit Wasser drauf. Leipzigs Winter-Management ist echt peinlich. Man kann der Meinung sein, dass die Jogger ruhig zur Abwechslung mal schwimmen gehen können oder auf dem Balkon ein paar Kniebeugen machen. Aber was ist mit den armen Hunde-Omis? Überhaupt die alten Leute, für deren Gesundheit es wichtig ist, dass sie täglich spazieren gehen? Wie leicht wäre es, ein bisschen umweltneutralen Sand oder Splitt auf die vereisten Wege zu streuen. Billiger allemal als die Rettungshubschrauber fliegen zu lassen, die in diesen Tagen besonders viel unterwegs sind. Aber das sind andere Töpfe, das zählt irgendwie anders.
Ich war heute mit Stella und Greta ... ja natürlich, im Zoo, während Steffi bei den Pferden Kies geschippt hat und Clara anderthalb Tage bei einer neuen Freundin verbracht hat, die so viel interessanter ist als die Familie. In der Sonne konnte man den Winter schon manchmal vergessen. Stella war sehr gut drauf, hat mich stundenlang zugequatscht (ich glaube, wir reden wirklich viel mit unseren Kindern). Ich erklärte ihr, dass Enten so ziemlich die einzigen Tiere sind, die sich in allen Elementen fortbewegen können. Stella: „Auch im Feuer? – Klar, wenn sie als Bratenten am Spieß gedreht werden.“

Sonntag, 18. Januar 2009

Absacker

Die Stimmung der Erwachsenen ist ganz seltsam. Wir bekamen nach Dienstag Glückwünsche von allen Seiten, und ich wusste erst gar nicht, wovon die Rede ist, weil ich die Greta-Geschichte so ziemlich ausgeblendet hatte. Da fieberst du einem Termin, einer Entscheidung entgegen, denkst dir monatelang, nur dies muss noch gut gehen – plötzlich hast du die Hürde genommen und merkst, das Problem ist eigentlich gar nicht gelöst, schon gar nicht sind die anderen Probleme gelöst, die du zuvor erfolgreich verdrängt hast und die nun doppelt auf dich einstürmen. Gleichzeitig wollen sich in dir drin die meisten Fasern nun endlich nur noch ausruhen, du bist also plötzlich viel müder als vorher, anders gesagt: Das Verhältnis von gefühlter Kraft und anscheinend noch zu bewältigenden Aufgaben hat sich plötzlich total zu deinen Ungunsten verschoben. In anderen Zusammenhängen kennt man ähnliches als Postnatale Depression.
Ich habe heute neue Synergie-Effekte ausprobiert: Bügeln vor laufendem Film. Das klappt dann, wenn man das Bügeleisen immer so herum abstellt, dass man beim nächsten Gebrauch auch ohne Hingucken den Griff trifft und nicht etwa die Unterseite des Geräts. Natürlich darf der Film nicht so spannend sein, dass du atemlos das Eisen auf der Bügelfläche parkst und ein Dreieck ins Hemd stanzt. Bei Scorseses Stones-Film ging das ganz gut, weil man da nicht unbedingt hingucken muss.
Was wird aus diesem Blog? In Bezug auf Greta wird er demnächst hoffentlich wenig spektakulär ausfallen. Aber bis zum Dankesfest soll er schon noch laufen.

Dienstag, 13. Januar 2009

Vorsichtiger Optimismus

Das Ergebnis von Szintigraphien und MRT ist befriedigend. Die alten Strukturen sind nachweisbar, aber es gibt anscheinend keine Aktivitäten und keine neuen Herde. Gretas Krebs ist erstarrt. Die Mediziner sprechen von „Tumor im Stillstand“, wobei ein still stehender Tumor aus biophysikalischer Sicht eher ein Widerspruch in sich ist, weil die Expansion zum Wesen des Tumors gehört.
Die Ärzte waren äußerst vorsichtig, waren prinzipiell nicht bereit, eine Prognose zu beziffern und haben darauf hingewiesen, dass die Bedrohung noch viele Jahre bestehen wird. Eine Entfernung des Katheters wurde auch noch nicht konkret in Aussicht gestellt. Das Blutbild muss weiter beobachtet werden, auch wenn die Werte sich gerade positiv entwickeln.
Ich selbst war bei dem Gespräch nicht dabei. Termine mit Ärzten kann man nicht mit den Maßstäben des normalen Berufslebens messen. Um halb zwei fingen wir an zu warten, gegen drei bin ich mit dem Taxi zum Hort gefahren, um Clara für den Zahnarzt abzuholen. Das Gespräch fing dann um halb vier an. Der Zahnarztbesuch war unerfreulich und hat uns daran erinnert, dass wir bei unseren gesunden Kindern zuletzt ein paar Pflichten vernachlässigt haben. Das Bohren hat Clara weh getan, aber das könnte pädagogisch wertvoll sein, wenn es sie zukünftig zum gründlicheren Zähneputzen animiert.
Ich bin ein alter Clout-Fan. Vor dreißig Jahren bin ich knapp daran gescheitert, „Save me“ aufzunehmen, danach habe ich es nie wieder im Radio gehört, immer nur „Substitute“. Heute um viertel vor fünf haben sie auf RSA „Save me“ gespielt, und ich dachte mir, das muss ein gutes Zeichen sein.

Sonntag, 11. Januar 2009

Dienstag gibt es Diagnose-Ergebnisse

Die Ärzte haben seit Freitag alle wichtigen Daten über Greta beisammen, die für ihre große Kooperationsbereitschaft bei Szintigraphien und MRT heute die versprochene Riesenschlange aus dem Zoo-Shop bekommen hat.
Übermorgen, Dienstag, werden um halb zwei beide Eltern in der KiK 4 auflaufen und sich die Ergebnisse erläutern lassen, verbunden mit einem Fahrplan für die weitere Behandlung. Da es die erste große Diagnose seit Anfang Oktober ist, gibt es eine beträchtliche Bandbreite der Möglichkeiten. Dass Gretas Zustand inzwischen hoffnungslos ist, kann man sich angesichts ihrer anhaltend guten Performance und Beschwerdefreiheit schwer vorstellen. Aber dass alte Krebsherde weiter aktiv und neue Metastasen entstanden sind, ist leider ebenso gut möglich wie das Gegenteil davon. Die Frage ist, ob wir anfangen können, für das Frühlingsfest zu planen, oder ob wir uns auf einen neuerlichen Klinik-Marathon bei stark verminderter Prognose einstellen müssen. Bei den Erwachsenen ist die Stimmung nicht gut.
Dafür gewöhnen wir uns so langsam an den Winter. Joggen ist zwar schöner bei zwanzig Grad plus und trockenem Boden, aber zur Not geht’s halt auch auf festgetretener Schneedecke. Die Pferde drängeln sich nachts zusammen, wenn es zu arg wird, und fressen ein paar mehr Äpfel und Brote, sonst sind sie ok. Es gibt schon seltsame Tiere. Im Zoo stapfen ein paar Straußen ungerührt durch den Tiefschnee, auch die Erdmännchen sind guter Dinge. Etwas rappelig sind die ja sowieso immer.
Steffi war das Wochenende also ausgiebig bei den Pferden, ich heute mit Stella und Greta im Zoo. Fünf Stunden haben wir es ausgehalten, mit Schlitten statt Buggy. Belohnt wurden wir diesmal mit einer echten Portion Pommes im Okapi-Wald. Sommer ist trotzdem schöner.

Sonntag, 4. Januar 2009

Ferienende

Obwohl alle Beteiligten dem Leipziger Alltag in 2009 im Prinzip entspannt entgegensehen, wird der Montagmorgen hart werden. Die Kinder haben es sich angewöhnt, bis 11 Uhr zu schlafen und den Rest des Tages im Pyjama zu verbringen. Stella und Clara müssen dringend wieder in die Schule. Manchmal raufen sie wie Jungens. Vielleicht liegt das daran, dass sie in den Ferien besuchsbedingt ungewöhnlich viele Männerkontakte hatten.
„Rutschen spielen“ ist der neueste Renner. Es kam aus heiterem Himmel und ist eigentlich ganz unoriginell: Der Erwachsene steht im leichten Spreizschritt vor dem Kind und fasst es an den Handgelenken. Das Kind hat Socken an, lehnt sich leicht zurück und flutscht durch die Beine. Der Erwachsene hält gegen, so dass dem Kind eine Schwingbewegung zurück ermöglicht wird und es mit einem leichten Abschlusssprung wieder in die Ausgangsposition kommt. Die Töchter stehen dafür mehrmals am Tag Schlange. Mit Greta ist es eine nette kleine Übung, die man beliebig wiederholen kann. Clara hat Gewicht, das schon grenzwertig ist für die Bequemlichkeit des Partners. Und Stella ... ist eine echte Herausforderung, das macht man nicht so oft hintereinander. Aber sie will, hat sie gesagt, mit dem Nutella aufhören, außerdem haben wir uns vorgenommen, regelmäßig miteinander im Park Joggen zu gehen. Haben wir sonst noch gute Vorsätze??
Greta ist guter Dinge und sehr dynamisch, die kleine infektbedingte Krise überwunden, das Blutbild wieder halbwegs ok. Sie ist eindeutig beweglicher geworden. Im „Fangen spielen“ ist sie flink und schwer zu fassen. Neuerdings geht sie auch freiwillig ins Untergeschoss, was naturgemäß Treppensteigen bedeutet.
Die Großen haben noch mal das soziale Ferienleben genossen, Stella war aushäusig zum Übernachten, Clara hatte ihrerseits Schlafbesuch. Das ist nach wie vor ein großer Kick, den die Eltern aus ihrer Kindheit gar nicht kennen. Für die Gastgebereltern bedeutet dies meist, Richtung Mitternacht zur Ruhe zu kommen, dafür hat man dann am Vormittag besonders ausgeglichene und selbstgenügsame Kinder.
Heute Abend hatte Stella ihren Moralischen, was am Ferienende mehr als verständlich ist. Am Ende einer längeren und lauteren Suada meinte sie: "Am liebsten würde ich mit Greta tauschen." Darauf Clara ganz cool: "Aber die hat doch Krebs." Die Erwachsenen mussten trotz allem sehr lachen.
Tja, jetzt haben wir fünf funktionstüchtige Fahrräder im Keller stehen – und draußen schneit es aus Kübeln. Auf den Straßen waren Skiläufer unterwegs. Schneepflüge gibt es in Sachsen anscheinend nicht. Von mir aus könnte der Winter ja mit 10 Grad plus und gelegentlichem Nebel durchlaufen. Die Kinder sehen das freilich anders.