Sonntag, 26. Juli 2009

Entspannungswochenende

Greta ist seit Donnerstag zuhause. Blutwerte und Allgemeinzustand haben dies zugelassen. Obwohl die großen Schwestern nicht da sind und auch keine Nachbarskinder, ist ihre Laune hervorragend. Sie redet wie ein Wasserfall, isst viel, flitzt durch die Gegend, genießt den Wellenspielplatz und den Softeismann. Gestern hatte sie allerdings einen ordentlichen Muskelkater und lief nur auf Zehenspitzen herum – kein Wunder, wenn man zuvor vier Wochen kaum aus dem Bett gekommen ist. Beim Fahrradfahren halten wir Greta vorsichtshalber fest, damit sie sich nicht verletzt (Thrombozyten!). Das sieht dann ziemlich kurios aus und ist kein reines Vergnügen für den Erwachsenen, zumal Greta natürlich trotzdem besonders schnell sein will.
Die Wohnung ist noch gar nicht wieder fit für ein immunsupprimiertes Kind. Es gibt eine neue Haushaltshilfe, die ihren Dienst aber erst nächste Woche antritt. Immerhin haben wir nach wie vor keine Tiere und Pflanzen.
Gestern waren Steffi und Greta schon wieder den halben Tag in der Klinik zur Blutkontrolle und für eine Infusion von Thrombozyten, für die Greta immer liegen muss. Diese Dinger scheint ihr Knochenmark überhaupt nicht mehr zu produzieren. Dafür liegt der Leukozytenwert bei 1,7. Es wird also in der nächsten Woche wohl klappen mit der Feintypisierung. Dann wird allerdings auch bald die nächste Chemo anfangen.
In den vergangenen Wochen kamen zahlreiche Anfragen, wie man denn Knochenmarkspender werden könne, um damit Gretas Chancen zu vergrößern. Das finden wir toll! Man kann das nur unterstützen, damit die Datenbanken langfristig immer größer werden und dadurch immer mehr Leukämiekranke gerettet werden. Das Verfahren ist ganz einfach: Ihr schickt eure Adresse an die DKMS, die schickt euch mit der Post ein Wattestäbchen und das Formular mit der Einverständniserklärung. Es braucht also dazu (am Anfang) noch nicht einmal einen Pieks. Mehr dazu unter www.DKMS.de. Die Chance freilich, dass genau deine Spende Greta rettet, ist gering. Die deutschen Datenbanken verfügen über knapp zwei Millionen Spender-Adressen. Es gibt eine ganze Reihe von Datenbanken, die alle gut verdienen wollen. Das ist einer der Gründe dafür, dass die Anfragen sich über viele Wochen hinziehen werden.
Das Internet ist wieder repariert, Roland sei Dank. Leider waren wir auch wochenlang ohne Anrufbeantworter – und haben es nicht einmal bemerkt. Nun geht die Quatsche wieder, aber ein paar Anrufe sind wohl doch im Orkus verschwunden.
Mick Jagger wird heute 66. Herzlichen Glückwunsch, bleib noch lange so fit!

Sonntag, 19. Juli 2009

Fischstäbchen und DEFA-Kitsch

Greta hat wieder eine Glatze und wiegt weniger als 17 Kilo. Dabei hat sie Wasser eingelagert und wirkt leicht rundlich im Gesicht. Die schwere Chemo hat außerdem ein paar Kapillargefäße aufgelöst, was zu Einblutungen führte und kleine Pünktchen unter der Haut machte. Die Ringelröteln waren keine Ringelröteln, sondern eine allergische Reaktion. Die ist aber jetzt im Griff, das Fieber vorbei.
Die Blutwerte entwickeln sich anders als damals beim Neuroblastom. Nach den erstaunlichen 1,0 ppm Leukozyten ging es erst mal wieder auf 0,2 hinunter und steigt seit gestern langsam. Die Feintypisierung sei erst ab 2,0 ppm möglich, verzögert sich also. Das Warten gehört jetzt dazu. Immerhin lebt Greta jetzt schon wieder fast einen Monat mit der neuen Diagnose und ist stabil. Im Moment schläft sie viel und ist ziemlich ruhig. Der Wochenend-Dienst war leicht diesmal, die ZEIT schon am Samstag ausgelesen. Richtig gute Laune macht das auch nicht.
Im Sonntagsmärchen gabs Rumpelstilzchen. Frischer Reichtum und drohender Kindstod. Da liegen uralte moralische Muster drunter. In der platten Konkretisierung des Märchenfilms streitet sich das Faust-Motiv mit dem Appell an die Solidarität: Freunde sind wichtiger als Geld, ach so. Da ist Brecht subtiler. Das einjährige Kleinkind war übrigens eine Puppe, die höchstens ein Pfund wog, so schnell zog die Königin das Kleine aus der Wiege.

Sonntag, 12. Juli 2009

Ringelröteln und Feenwünsche

Stella und Clara sind gestern sehr aufgekratzt und fröhlich aus der Geschwisterfreizeit in Schwerin zurückgekommen. Nun sind auch noch die Großeltern da und werden die beiden für zwei bis drei Wochen mit nach Kiel nehmen. Die Sommerferien sind gerettet.

Unsere FritzBox ist einem Gewitter zum Opfer gefallen. Wir haben also gerade kein Internet zuhause. Zum Glück ist der Osten so unterentwickelt, dass es noch echte Internetcafés gibt. Die Rechner sind fünfzehn Jahre alt, aber kostenloser türkischer Kaffee verkürzt die Wartezeit. Romantisch, fast wie damals in Berlin.

Die Knochenmarkspunktion am Freitag ergab, dass es derzeit keine Krebszellen in Gretas Knochenmark gibt. Das ist noch nicht die Remission, aber immerhin ein Teilziel. Die erste Chemo hat gut gewirkt. Und Gretas Blutbild erholt sich schon wieder: 1,0 ppm Leukozyten nur fünf Tage später, das ist besser als man erwarten durfte. Ende nächster Woche wird das Blutbild dafür ausreichen, eine Feintypisierung vorzunehmen, die noch nötig ist, um die Datenbankanfrage für die Knochenmarkspende zu starten. Danach wird es mindestens einen weiteren Monat dauern, bis ein Spender gefunden ist. Leider ist es nicht mit ein paar Knopfdrucken am Rechner und der Suchfunktion getan. Die Datenstruktur ist so kompliziert, dass da richtige Menschen suchen müssen, und die brauchen bekanntlich ziemlich viel Zeit für so etwas.

Seit gestern hat Greta Ringelröteln. Das hat mit den richtigen Röteln zum Glück nichts zu tun, sieht nur so ähnlich aus und juckt ein bisschen. Grund sind die Bluttransfusionen. Leichtes Fieber hat Greta heute etwas sediert. Vorhin hat sie zum ersten Mal eine Schnute gezogen, als Mama in der Tür stand und sich anschickte, mich abzulösen. Dass ich das noch erleben darf! Sonst ist es ja immer umgekehrt. Das Papa-Wochenende war diesmal vom Räuber Hotzenplotz geprägt, der Gretas Naturell sehr entspricht. Sie war jedenfalls begeistert und ließ sich halbe Tage lang vorlesen.

Ich war schon als Kind fasziniert davon, wie scheinbar leichtfertig Kasperl und Seppel am Ende des ersten Buchs die ersten beiden Wünsche vertun, die der Wunschring der befreiten Fee ihnen bietet. Eine Zipfelmütze und eine Kaffeemühle? Ich hätte mir die Wünsche vollständig aufgehoben. Heute denke ich sogar folgendes: Wer mit beiden Beinen auf dem Boden steht und wem die Dinge im Leben nach Plan laufen, der wird von seinen Feenwünschen niemals Gebrauch machen. Bei uns ist das nun definitiv anders. Ich würde den Feenwunsch für Greta einsetzen, und wenn es der einzige wäre.

Sonntag, 5. Juli 2009

Noch kein Kochenmarkspender

Niemand aus der Kernfamilie ist prädestiniert dafür, Greta Knochenmark zu spenden. Nun wird es Datenbankabfragen geben, erst deutschlandweit, dann international. Wenn das nichts fruchtet, muss man es doch mit einer Elternspende versuchen. Das geht zur Not, birgt aber große Risiken wegen der Abstoßungsreaktionen gegen die körperfremden Zellen.
Greta bewohnt jetzt ein Einzelzimmer, darf nicht mehr hinaus, die Betreuer ziehen Kittel und Mundschutz an. Das wird sich vorläufig nicht ändern. Der erste Chemo-Block ist schon wieder vorbei, aber das Zelltief setzt diesmal unmittelbar ein. Greta nimmt es gelassen, war die letzten Tage stabil und überwiegend gut gelaunt. Wenn sie gerade nicht Filme anschaut oder Maumau spielt, fängt sie an zu schreiben. Ihren eigenen Namen hat sie nachgemalt – und ROLAND. Wer weiß, was sie noch alles lernt auf dem Krankenlager (Fußballdaten? Römische Geschichte?). Möge es ihr nützen im Leben.
Sogar Besuch war schon in der Klinik – und eine Studentin namens Katja, die jetzt gelegentlich Steffi ablöst, was eine große Erleichterung ist. Susanne und Anna aus Bamberg waren auch da, was man dem Haushalt anmerkt. Die Leipziger und anderen Freunde sind gleich wieder enger zusammengerückt – das ist ein richtig gutes Gefühl, Leute!
Stella und Clara fahren morgen über den Förderverein der Krebsklinik zur Geschwisterfreizeit, eine Woche nach Schwerin. Danach werden sie mindestens zwei Wochen in Kiel bei den Großeltern sein. Die beiden haben sich vorhin ihre Hefte genommen – Stella ein Matheheft und Clara ein Deutschheft – und haben eifrig geübt, gelernt, gerechnet und geschrieben. Ich weiß gar nicht, was in die beiden gefahren ist.

Bilder aus Bad Oexen

Gute Zeit gehabt.

Das Duo infernale: Greta und Fabbiana.


In dem schönen Bauernhaus haben wir gewohnt.





Eis schmeckt überall.


Der Pferdespaß darf nicht fehlen.