Sonntag, 26. Oktober 2008

Kulturwochenende

Greta hat wieder Haare, zunächst eher fühlbar als sichtbar, aber immerhin. Da nächsten Freitag Feiertag ist, hätte Tochter Drei für diesen wegzurechnenden Werktag gestern, Samstag, eine extra Strahlendosis bekommen sollen, aber der Termin musste ausfallen, weil die Maschine kaputt war. Den Tag müssen wir anderweitig nachholen.
Töchter Eins und Zwei sind in Köln, wo sie sich nun mit den kongenialen Rath-Jungs vergnügen. Ich habe sie Freitag hingebracht und durfte gleich eintauchen in die rheinische Künstlerszene. Wenig Schlaf und ungewohnt viele Eindrücke aus einer überaus lebendigen Region.
Wieder zuhause, war ein Film aus Wien hereingeflattert. Eine Adaption vom Fliegenden Klassenzimmer vor Leipzig-Kulisse im Thomaner-Internat. Voll krass. Mit Sebastian Koch und Fabi von den Wilden Kerlen. Greta und ich haben ihn gleich geguckt als Steffi bei den Pferden war. Ulli von Simmern springt mit roten Gas-Ballons statt mit Regenschirmen. Das MacGuffin in der Geiselnahme sind Chornoten, die verbrannt werden, Justus’ Freund war in den Westen abgehauen, damals. Mit vielen Leipzig-Bildern, die nun doch langsam vertraut werden. Toller Film - von guten Menschen, Kinderträumen und echten Freunden.
Steffi hat gestern in der Studiobühne Skala die Premiere von „Straße“ angeschaut. Christoph Schlingensief war auch da, Steffi hat ein bisschen mit ihm geflirtet. Der ist schließlich auch wieder gesund geworden und hat seine volle Haarpracht zurück.

Donnerstag, 23. Oktober 2008

Auf nach Köln

Greta verträgt auch die Bauch-Bestrahlung bisher sehr gut. Dass sie außer Schokolade und Pomm-Bären nichts essen mag, liegt zum Teil wieder mal an der legendären Krankenhaus-Verpflegung. Die „Lasagne“ bestand gestern aus Hackfleisch zwischen ungekochten Teigplatten. Eine Mit-Mutter versuchte, das Zeug in kochender Milch nachzugaren, um es genießbar zu machen. Der gaumenverwöhnten Greta kann man mit so etwas natürlich nicht kommen.
Dass das Kind guter Dinge ist, kann uns freuen, macht die Betreuungssituation aber nicht leichter. Die Ansage ist nun doch: Bauchbestrahlung ist stationär, Urlaub gibt’s nur am Wochenende. Also vier Wochen Krankenhaus. Steffi ist ziemlich sauer deswegen und denkt ans Ausbüchsen. Kleine Exkursionen darf sie sowieso unternehmen. Nachmittags mit Greta mal drei Stunden zu den Pferden zu gehen würde vielleicht gar nicht auffallen.
Zuhause mogeln wir uns so durch. Es kann jetzt vorkommen, dass Stella und Clara zwei Stunden alleine sind und einen Film anschauen. Beschwert haben sie sich deswegen noch nicht. Morgen bringe ich die beiden für eine Woche nach Köln, inklusive Abstecher zur Oma nach Düsseldorf.

Sonntag, 19. Oktober 2008

Geburtstagswochenende

Nun ist Greta vier Jahre alt und genau ein laufender Meter. Soweit haben wir es geschafft. Wenn sie auch bei ihrem fünften Geburtstag noch dabei ist, dann sind wir wohl endgültig über den Berg. Manchmal können Zielsetzungen so einfach sein.
Das Frühstück war sehr feierlich, der Tisch bog sich vor Geschenken. Es gab Gretas Lieblingskinderkrümelstreuselkuchen. Die Großeltern trugen maßgeblich zum feiertäglichen Ambiente bei. Der Kindergeburtstag blieb allerdings vorsichtshalber auf die Schwestern beschränkt. So wurde der Tag schnell prosaisch und mit einer ausgedehnten Reitpartie fortgesetzt. Der Vater war sowieso bei einem Umzug eingeteilt. Ein ziemlich trauriger Umzug übrigens, weil damit die beiden kleinen Engelchen das Haus verlassen haben, die bei uns ein und aus gegangen sind. Zum Glück haben sie Unterkunft gefunden im nächsten Umkreis der Schule, also nicht weit weg.
Ich hatte vorher mein läuferisches Comeback nach vier Wochen Erkältungspause gegeben, und hab auch sonst alles falsch gemacht zu Beginn dieses Umzugs, d.h. ich bin die Treppen hochgerannt, gleich die schwersten Teile angegangen und habe folglich nach einer halben Stunde nur noch Spielzeugwannen und Pullovertüten nehmen und hoffen können, dass es nicht so auffällt. Greta und Clara rannten aber vor der Haustür herum und fingen mich mehrfach mit dem Spruch ab: „Ooch Papa, DAS hätte ich auch tragen können.“ Greta fuchtelte mit einem großen Holzschwert herum, auf dem ihr Name draufsteht. Man kriegt die Kinder ja nicht aus dem Weg, wenn richtig was los ist.
Die Männer müssen bei Umzügen immer Tetris spielen und selbst dann noch das Packmaß pro Auto genau berechnen, wenn man vier Autos hat und die Zielwohnung 500 m entfernt ist. Aber wie zu erwarten: Der Umzug wurde vollbracht, und ich hab einen scheußlichen Muskelkater, wenn auch schon gelockert durch eine nachmittägliche Fußballrunde im Rosental. Im Cross-Age-Turnier standen (oder krabbelten) zeitweilig bis zu 12 Personen auf dem Feld.
Heute Abend wird Greta wieder hospitalisiert für die morgen sehr früh beginnende Bestrahlung. Das gemütliche Wochenende ist vorzeitig vorbei, aber in Summe konnten wir alle ganz gut auftanken.

Mittwoch, 15. Oktober 2008

Die Richtung stimmt

Unsere nähere Zukunft hat wieder klarere Konturen. Ab Montag muss Greta für vier Wochen zur Bestrahlung an zwanzig Arbeitstagen. Ob sie teilweise oder ganz stationär in der Klinik bleibt, hängt davon ab, wie sie die Behandlung verträgt. Es wird zunächst ausschließlich der Tumorrest neben der Leber bestrahlt.
Greta musste heute in den Computer-Tomographen und hat jetzt ein dickes Ziel-Kreuz auf dem Bauch. Das CT sei „cool“ gewesen, sagt sie, wie ein Raumschiff. Mit roten Streifen. Weil sie so ruhig ausgehalten hat, dass keine Narkose nötig war, hat sie ein riesengroßes Pflaster geschenkt bekommen, mit dem man sonst wahrscheinlich Pferde verarztet.
Der Tumorrest sei deshalb vordringlich, weil von dort aus die Streugefahr noch am größten ist, außerdem wirke die Retinsäure da schlechter als in den Knochen. Wie sich die Knochenmetastasen entwickeln, müsse man erst mal abwarten, die zuletzt angewandten Therapeutika wirkten systemisch und langsam. Es sei nicht einmal sicher, dass die Knochen überhaupt noch bestrahlt werden müssten. Der Strahlenprofessor, bei dem Steffi und Greta heute endlich das Aufklärungsgespräch hatten, war jedenfalls ganz entspannt und sah uns auch weiterhin gut im Zeitplan. Nun kann es an die Geburtstagsvorbereitungen gehen.

Sonntag, 12. Oktober 2008

Weiterhin Ungewissheit

Greta hat die ersten zwei Wochen Retinsäure-Behandlung ohne nennenswerte Vorkommnisse hinter sich gebracht. Seit dem Abklingen der ersten Hemmschwellen wirft sie sich die Dinger ein wie Bonbons.
Am Montag wird es wohl zumindest einen Termin für ein Beratungsgespräch beim Strahlenprofessor geben, vielleicht auch schon einen Zeitplan. Die Onkologen glauben, dass die Bestrahlungen beim Tumorrest im Bauch anfangen werden. Dafür würde Greta wahrscheinlich stationär behandelt. In den Knochen gibt es (mindestens?) zwei weitere aktive Stellen, aber anscheinend keine neuen Herde. Viel weiter bringen uns diese Infos nicht, über die aktuelle Prognose schweigen die Ärzte.
Unterschwellig nervt diese Ungewissheit, meistens findet man sich einfach damit ab und widmet sich weiter den Alltagspflichten. Gretas Krankheit ist weniger ein Projekt mit festen Terminen und klaren kausalen Sach-und-Zeit-Beziehungen, sondern eher ein offener Prozess, der einen ziemlich oft zum Nichtstun verdammt.
Bis Samstag waren die Raths mit drei großen Jungens zu Besuch. Unsere Mädchen waren schwer begeistert. Als wir so zu zehnt beim Softeis-Mann saßen, der zum Glück wegen des grandiosen Wetters ein paar Wochen länger auf hat, dachte ich mir: Die längste Zeit war ich mit Thomas zu zweit, und nun sind wir eine ganze Herde, das ist schon toll! An einem Besuch von Stella und Clara in Köln in den Herbstferien wird derzeit intensiv gearbeitet. Nächste Woche kommen Vetter Roland und danach die Schwiegereltern, um am Samstag Gretas vierten Geburtstag zu begehen, kein ganz gewöhnliches Datum.

Sonntag, 5. Oktober 2008

Erholsame Langeweile

Die Retinsäure ist kein Baldrian, wird auch als letztes Mittel gegen schwere Akne eingesetzt, der Beipackzettel ist beeindruckend. Da steht sogar etwas von möglichen Depressionen und Selbstmordgedanken drauf, was die Kinder besonders unheimlich finden. Tatsächlich hat Greta jetzt manchmal kurze Phasen tiefer Traurigkeit, welche scheinbar keine spezielle Ursache hat. Und ihre oberste Hautschicht pellt sich ein wenig, aber das ist auch alles.
In den gut gelaunten 23,5 Stunden des Tages spielt Greta Fangen mit verfügbaren Erwachsenen, stopft Nutella in sich hinein (alle miteinander nähern sich dem Verbrauch von einem 400-Gramm-Glas pro Tag) und spielt mit ihrer gleichaltrigen Gefährtin aus dem Haus.
Heute Vormittag gabs großes Kindertheater von Stella und Marlene. Mit selbstgebastelter Bühne, Vorhang, mehreren Bühnenbildern, Papier-Personen am Stäbchen und Salzstangen in der Pause. Es war halb Autoren-Theater, halb Impro, der Plot deutlich autobiographisch inspiriert. Die kleineren Geschwister waren etwas überfordert, die Eltern dagegen sehr begeistert. Die Thomas-Mann-Kinder haben in München auch exzessiv Theater gespielt und Stücke geschrieben. Man darf also Großes hoffen.
Der Vater darf morgen für zweieinhalb Tage auf Dienstreise in den Süden fahren, wo die Weine mehr Farbe und die Menschen bessere Laune haben. Auch die Autos sind dort teurer, aber Leipzig holt auf. Abgesehen von einigen alten Porsches und Jaguars, die in Liebhabergaragen stehen, kann man im Viertel die neuesten Benze und auch zwei Maseratis bewundern. Beim Aldi parkte gestern ein Aston Martin DB9. Ein Traum zum Basisneupreis von 164.000 Pfund Sterling. Auf dem Tacho Spitze 330. Der Kofferraum ist allerdings für einen Aldi-Einkauf weniger geeignet.

Freitag, 3. Oktober 2008

Gefühlte Prognose vorläufig unverändert

Es gibt noch keine wirklich weiterführenden Erkenntnisse über Gretas Gesundheit. Inoffizielle Aussagen des behandelnden Arztes anlässlich der heutigen Blutbildkontrolle besagen, dass die Knochenmetastasen zwar noch nachweisbar sind, der Resttumor an der Leber sich aber verkleinert hat und die letzten Therapieschritte folglich angeschlagen haben. Neue Metastasen gibt es anscheinend nicht.
Am Montag werden sich die Onkologen mit dem Strahlen-Professor zusammensetzen, alles gründlich auswerten und das weitere Vorgehen beraten. Der erste zweiwöchige Retinsäure-Block wird auf jeden Fall durchlaufen und nicht durch eine Strahlenbehandlung unterbrochen. Gretas Blutwerte sind gut wie lange nicht, nächster Kliniktermin ist erst wieder Donnerstag. Ein entspanntes Wochenende steht an.
Ich war anlässlich des Historikertags zum ersten Mal nach langer Zeit wieder im schönen Dresden. Ihr könnt beruhigt sein: Der Streit um die neue Elbe-Brücke ist völlig übertrieben, die Baustelle mehrere Kilometer weg vom historischen Stadtzentrum. Anscheinend wollen die Stadtschützer nur den Blick auf die originalen Plattenbauten unverstellt erhalten, die neben der linken Rampe stehen.
Ein Zugewinn ist die Frauenkirche. Wer einmal einen wirklich neuen Barockbau anschauen will, innen mit frischem, hellbunten Marmor ohne jede Patina, sollte sich dies nicht entgehen lassen. Die Kirche passt immerhin deutlich besser in ihr Umfeld als die beiden gotischen Kathedralen in Manhattan oder das neue Schloss in Braunschweig.