Dienstag, 10. Juni 2008

Hafterleichterung

Die ungewöhnliche Familiensituation bringt manche Bereicherung. Die letzten zehn Jahre lang hat mir meine Frau die Haare geschnitten, was preiswert, zuverlässig und nicht weiter spektakulär ist. Aber in den letzten fünf Wochen haben wir es aus bekannten Gründen einfach nicht mehr geschafft. Ich bin also zum Friseur gegangen. Es gibt Leute, die von der „Dienstleistungswüste Deutschland“ reden. Das Waldstraßenviertel in Leipzig können sie damit nicht meinen, und die Friseure schon gar nicht. Zehn Minuten Façonschnitt war gestern. Heute erst eine kostenlose Nackenmassage von der affilierten Dame, die ihren eigenen Laden zwei Straßen weiter hat. Dann die Haarbehandlung durch den Herrenspezialisten mit Analyse und Style-Beratung, zum Schluss Kopfhautmassage, das Ganze gar nicht teuer. Eine Stunde Wohlfühlprogramm.
Das ist wirklich signifikant hier: hochspezialisierte Dienstleistungen oder Geschäftsangebote, z.T. in Kombigeschäften (ein Uhrmacher und eine Schmuckschmiedin; ein Friseur und eine Visagistin etc.), außerdem Läden, die spürbar mit Enthusiasmus und Liebe zum Handwerk betrieben werden. Auf der Waldstraße gibt es einen Menschen, der nur Softeis verkauft. Der Renner seit Monaten!
Leider glauben auch manche Zahnärzte, sie könnten mehr verdienen, wenn sie ihr Angebot diversifizieren. Wohlfühlprogramm im Behandlungssessel? Da bin ich konservativ. Meine Krankenkasse weiß schon, was wirklich wichtig für mich ist. Beim Zahnarzt zahle ich nur für Gold.
Greta ist heute endlich in die KiK4 verlagert worden. Das MRT haben sie dann doch nicht gemacht, am Freitag geht die Chemo weiter. Heimaturlaub gibt’s nicht. Steffi hat meinen Zweit-Rucksack gefunden, dessen vermeintlicher Verlust vor zwei Wochen mich schon fast zu Kulturkritik verleitet hat. Ein guter Tag. Morgen stellt sich eine Anja-Nachfolgerin vor, die am Telefon schon mal ganz sympathisch klang.

3 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Es geht voran, ich freu mich. Und Heimaturlaub wird´s für Greta ja hoffentlich endlich nach der Chemo geben. Also ist mal wieder ein Tunnelende in Sicht für euch.

Ich glaub übrigens Männer werden bei Friseuren unfair bevorteilt. Für mich sind Friseurbesuche hauptsächölich teuer. Und es scheint sich zu lohnen denn auf dem Weg zu meiner Praxis (7 Minuten) komm ich sicher an 8 - 10 Friseurgeschäften vorbei. Aber so reizvolle Zusammensetzungen hab ich in Nürnberg auch noch nirgends erlebt.

Liebe Grüße

Doris

MBM hat gesagt…

Hut ab! Ich war die letzten Tage ziemlich angeschlagen und fühlte mich gerade nicht besonders stark: neue Stelle angefangen, wenig Schlaf, u. a. Änderungen sind für mich schon immer anstrengend gewesen, auch wenn die Aussichten gut sind. Letztendlich ist es aber wenig Stress gegen das, was Ihr die ganze Zeit durchmacht. Eure Stärke gibt mir Mut zum Tanken auf und ich freue mich sehr, das Ihr so schön zusammenhaltet.
Die Friseurgeschichte ist übrigens echt köstlich, habe mich richtig amüsiert. Danke!

hibou hat gesagt…

Ich habe mich sehr darüber gefreut Greta im Park sitzen zu sehen. Wir haben gerade einen großen Umzug hinter uns, dann lese ich was u.a. Steffi in den letzten Wochen durchgehalten hat und dann relativiert sich so manches. Auf unserer 2 tägigen Umzugsreise haben wir eine Kerze für Gretas Gesundung in der Kirche von Reims angezündet, unseren Kindern ist das sehr wichtig geworden und ich atme erleichtert auf, wenn ich nach einer Woche Internetpause lese, dass es langsam bergauf geht, ich wünsche euch weiterhin viel Kraft und Geduld für die nächste Chemo. Liebe Grüße aus dem Rheingau, ich schicke euch etwas von dem fantastisch grünen Leuchten der Reben.
Alles Liebe von Traute und Familie