Sonntag, 13. Juli 2008

Ferien

In Sachsen sind Schulferien. Clara erzählt jedem, dass sie nun kein Vorschulkind mehr sei, sondern ein echtes Schulkind. Stellas Zeugnis war mit nur einer Drei so passabel, dass wir uns denken: Wenn die umständebedingte Vernachlässigung aufhört, wird es am Ende für eine Gymnasialempfehlung reichen. Die Schwiegereltern kommen heute Abend hierher und nehmen die Großen am Dienstag für zwei Wochen mit nach Kiel. Stella und Clara freuen sich so unmäßig darauf, dass wir uns schon fragen, ob wir hier überhaupt eine artgerechte Kinderhaltung betreiben.
Greta wird nicht begeistert sein, wenn sie Mittwoch (?) nachhause kommt, und ihre Schwestern sind weg. Dafür hat sie jetzt ein kleines, praktisches DVD-Abspielgerät mit Klapp-Bildschirm, das sie ausgiebig nutzt, im Moment vor allem für „In einem Land vor unserer Zeit“. Der dritte Spielfilm dieser Dinosaurier-Saga zeigt vor allem, dass das Setting der Handlung nur begrenzten Spielraum lässt. Die einfältigen Viecher können eben nicht viel mehr als Fressen, Spielen, Beinahe-in-eine-Schlucht-Fallen und Weglaufen. Verfolgt werden sie immer vom „Scharfzahn“, einem T-Rex-Verschnitt, der laut brüllt, grausam aussieht und niemals Schaden anrichtet. Bei den endlosen Verfolgungsjagden kann es passieren, dass so eine riesige Kampfmaschine minutenlang einem hühnergroßen und hühnerschnellen Baby-Dino hinterherstapft, ohne diesen zu fangen. Am Ende verlaufen die Angreifer sich in einer Schlucht und kriegen Steine auf den Kopf, die die guten Dinos hinunterrollen. Was sollen vier Dino-Kinder auch sonst tun? Wir lernen viel von diesen Filmen: Etwa, dass die Erde „damals“ ganz anders war. Überall Vulkane und Erdbeben, halt irgendwie instabil (das erweitert nämlich den Handlungsspielraum). Die Dinos hätten auch schon verinnerlicht, dass sich dauernd was ändert und dass irgendwann die Säugetiere kommen. Ist ja wahr: Viel länger als 100 Millionen Jahre hat man sie nicht in Ruhe gelassen. Was würden sie wohl zu unserem heutigen Leben sagen? Macht nichts. Für Dreijährige sind die Filme offenbar genau richtig.
Die achte und letzte reguläre Chemo ist morgen zuende, ein langer und schwerer N6-Block, den Greta wieder hervorragend weggesteckt hat. Es ist schon so: Die Kommentare, dass Greta eine äußerst strapazierfähige Patientin sei, gehen deutlich über die Berufshöflichkeit von Schwestern und Ärztinnen hinaus. Wir sehen im Umfeld selbst, wie viele krebskranke Kinder durch vermeintliche Bagatellen in ihrem Heilungsprozess aufgehalten oder zurückgeworfen werden, durch Infektionen aller Art, Unverträglichkeiten von Medikamenten, sonstige unerwartete Komplikationen. Greta hat so ziemlich das härtestmögliche Behandlungsprotokoll und liegt nach acht Monaten kaum sechs Wochen hinter der Ideal-Terminierung des Therapieschemas zurück. Gemessen an den vorbereitenden Gesprächen vom November, als die Ärzte sich zu einem realistischen Zeitplan überhaupt nicht äußern wollten, können wir mit dem bisherigen Verlauf der Behandlung hochzufrieden sein. Dass die Therapie letztlich ausreichend wirkt, ist damit leider nicht gesagt.
Eines der Medikamente geht momentan auf die roten Blutkörperchen und den Sauerstofftransport, die Folge ist ein erhöhter Puls. Es soll Kinder geben, die dadurch müde werden. Ich habe Greta gestern um zehn nach elf verlassen, als sie endlich schlief. Heute sagte die Schwester, das Kind sei um halb zwei wieder aufgewacht und danach nicht mehr eingeschlafen. Immerhin hat sie uns die lange gefühlte Abwesenheit nicht krumm genommen. Sie war heute quietschvergnügt, ja regelrecht aufgedreht. Wenn die Kleine im Moment mit wenig Schlaf auskommt, ist das schön für sie, für den Vater gilt das aber nicht in gleichem Maße.

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