Dienstag, 5. März 2013

Die März-Aufgabe



Nun scheint tatsächlich nach den langen, grauen Monaten mal länger die Sonne...die Vögel singen morgens im Hof und im noch braunen Auenwald, wo einige Leute schon sträflicherweise Bärlauch ausbuddeln (gruslig für die Pferde, wenn plötzlich Menschen auf dem Waldboden herumhocken).
Wir haben so lange darauf gewartet, aber da liegt dann Stephan schön mummelig gelagert in seinem Bett und atmet mittlerweile auch mal unruhiger. Und es sind die Tage, in denen Greta fröhlich im Hof rumgesprungen wäre. Und da ist sie dann, die Faust in der Magengrube, die ich schon so gut kenne. Wie schaffen es Gedanken, in den Magen zu kommen oder noch weiter runter??
Meine Aufgabe für diese ersten schönen Tage ist aber erstmal eine positive:
Ich schreibe über Bad Oexen.
Das Einzige, was in Oexen für mich schlimm war, war das „Klangbad“, weil ich da drin (drauf?) lag, als ich wusste, dass wir mit irgendeinem neuen “Scheiß” wieder nach Hause fahren…ich hatte Angst vor dem Tod meines Kindes, stellte mir vor, wie ich selbst im Sarg liege...und da war das Klangbad eben ausnahmsweise nicht schön, sondern bedrohlich.
Ansonsten liebe ich Bad Oexen!!!
Ich würde sofort dahin ziehen, dort arbeiten wollen – wenn meine Mädels nicht solche Ost-Stadtpflanzen geworden wären (ich eigentlich auch). Außerdem bin ich noch keine fertige Therapeutin... - und alles ist noch viel zu nah dran...
Ich oder Stephan wollten hier keinesfalls den Eindruck erwecken, dass wir es dort nicht schön hatten – im Gegenteil...!! Wir alle haben es geliebt...und Clara fragte mich neulich auch, ob wir nicht nochmal nach Oexen fahren könnten.
Ehrlich gesagt hätte ich Angst davor, an einen Ort zu fahren, wo Greta so superglücklich war wie sonst nur in Kiel, auf dem Ponyhof Kötschlitz, mit ihrem Patenonkel Jonas, auf dem Schlitten in Saalfelden, bei den Delfinen in Nürnberg oder in der „Grünauer Welle“, wo sie vor dem Einbau ihres ungefähr sechsten Broviac-Katheters gefühlte 1000mal von der Rutsche gerutscht ist...
Also, das würde vielleicht in die Kategorie "Konfrontationstherapie" oder "Gefühle zulassen" fallen.
Aber im Ernst: möchte mit ich mit euch allen (Ulla, Michael, Markus, Konstantin, Doro...) eigentlich mal ganz viel Weinen und ganz viele (auch so schöne!!) Erinnerungen teilen...Aber wie gesagt, ich weiß nicht, ob wir eine Trauer-Kur machen dürften...und ob ich das packe, weiß ich auch nicht...
Der Gedanke fühlt sich allerdings gerade ganz gut an, wer weiß?! Ganz viele tolle Menschen, die uns begleiten, habe ich in Oexen kennen gelernt und darüber bin ich rasend froh! Genauso darüber, dass wir im Juli 2012 eine chaotisch schöne Woche dort verbringen, uns irgendwie „verabschieden“ und einige liebe Menschen wiedertreffen oder kennen lernen konnten...

Die Sonne scheint und eigentlich sollte man offener und fröhlicher werden, aber da liegt Stephan im Bett und rührt sich nicht, und ich merke, wie ich leerer und ausgelaugter werde und alles furchtbar anstrengend ist.
Denken, Reden...ich habe eine Blase im Kopf, die hin- und herblubbert, und ich versuche, mich zu konzentrieren.
Ich wünsche mir manchmal Gespräche mit bestimmten Menschen, denen das aber, glaube ich inzwischen, zu nah und zu schwer ist...und bin gerührt von Menschen, die uns ganz nah kommen und ganz viel geben, weil sie das Bedürfnis und den Mut dazu haben, diese merkwürdige Stimmung hier auszuhalten. Auch zu wissen, dass Viele uns "auffangen" werden...ist so tröstlich und hilft mir, den Mädchen gegenüber sowas wie Zuversicht auszustrahlen. Dass wir auch „abstoßen“ mit unserem Drama ist mir bewusst und Jedem, der sich schützen möchte, sei das gegönnt und „erlaubt“...

Im Blog von Herrndorf ist ein Foto von ihm auf Schlittschuhen – immerhin kann er noch stehen und sowas machen...! Trotzdem hat es mich auch wieder sehr gerührt; keine Ahnung, was es mit dieser Ähnlichkeit auf sich hat.

Am Samstag konnten wir einen langen Waldspaziergang mit Rooney Ronaldo Lopez de Vega und Ben Kingsley machen – Clara hatte ihre Freundin Vicky dabei, die auch hier übernachtet hat. Vicky hat sich Rooney gleich „unter den Arm geklemmt“ und ist lachend und völlig angstfrei mit uns über die inzwischen schneefreien Waldwege getrabt...!
Das kann ein wenig die Schwere wegpusten und mich im Hier und Jetzt sein lassen (wie es besonders Greta auch so gut konnte...) Kinder sind einfach manchmal doch Kinder...und das ist gut so. Clara hat sich heute morgen hüpfend und springend über ihre Bravo79-CD gefreut, liebste Sabine (und ich freu mich schon auf`s Hören vom Django-Soundtrack und der Micha-CD im Auto...!!)

Dieses schnellere Atmen macht mich wahnsinnig. Keiner kann einem sagen, wieviel Zeit Stephan noch bleibt in diesem schwachen, verwirrten, dünnen Körper – auch er wird ein Vogel mit schnellen oder stolzen Schwingen sein.
Stoisch von Tag zu Tag weiterleben.

30.07.2012, Tagebuch
„Wie es sich anfühlt, wenn du auf meinem Bauch liegst...dann herunterhüpfst, um Tischtennis zu spielen...möchte ich als Gefühl in Erinnerung behalten – Alles tun, um die Situation für alle erträglich zu machen, vesuchen, da zu sein.
Ich kann mir – zum Glück – die Leere ohne euch nicht vorstellen.“












Der schöne, heiße Sommer 2010 in Bad Oexen...(auf dem letzten Bild wird ein Gewitter bestaunt)...!





2 Kommentare:

Michael hat gesagt…

Die März-Aufgabe hast Du grandios bestanden, Steffi! Ich wünsche weiterhin viel Kraft und denke an Euch. Alles Liebe

Matteo hat gesagt…

Liebe Steffi,

ich verfolge das Blog schon eine ganze Weile.
Ich habe selbst vor 4 Jahren meine Tochter an die Leukämie verloren und trage Krebs mit sehr schlechter Prognose in mir.

Ich möchte Ihnen danken, dass Sie die Zeit und die Kraft finden, zu schreiben und wünsche Ihnen und Ihrer Familie alles Gute und hoffe für Sie.

Liebe Grüße,

Matteo