Sonntag, 17. Februar 2008

Blauer Himmel, Minusgrade

Freitag habe ich Clara und Stella aus Braunschweig abgeholt. Clara war froh, wieder nachhause zu kommen, obwohl sie ebenso verwöhnt worden ist wie die Große. Stella war völlig indifferent, als ich auftauchte. Sie ist fünf Tage lang auf einer Welle der Zuneigung durch Stöckheim gesurft. Manchmal wussten wir gar nicht, wo genau sie gerade ist. Ein paar Tage lang ging sie in ihre alte Schulklasse und hat allen Ernstes Hausaufgaben dafür angefertigt. Sie behauptet, in Niedersachsen sei es leichter als zuhause.
Die Eltern sind froh, dass die Wohnung nicht mehr so ruhig ist, aber genau so froh darüber, dass die Kinder so selbstständig und kontaktfreudig sind, und dass dieses Experiment gut vonstatten gegangen ist – mithilfe der unschätzbaren Unterstützung der Braunschweiger.

Greta ist seit Donnerstag wieder in der Klinik, zum vierten Chemoblock. Am Mittwoch musste Steffi unverrichteter Dinge abziehen, weil kein Bett frei war. Das Wochenende war überwiegend Papas Betreuungszeit, und Greta hat sich tatsächlich diesmal morgens nicht beschwert über mein Kommen. Es gibt in der Klinik Kinder, die liegen den ganzen Tag einfach nur herum. Sind die noch kränker als Greta? Manchmal bin ich geneigt, die Eltern zu beneiden. Wenn sie wollten, könnten sie an so einem Betreuungstag ein halbes Buch lesen oder fünf Briefe schreiben. Die meisten wollen das gar nicht. Ich freue mich dann doch lieber an unserem nach wie vor lebhaften Kind.
Entspannung bieten die Filmphasen zwischendurch. Wer allerdings glaubt, es könnte dabei zu einem vollwertigen Kulturereignis kommen, sieht sich getäuscht. Gestern wollte Greta „Findet Nemo“ anschauen, sehr schön, dachte ich, doch nach einer halben Stunde war die Geduld vorbei. Dann kam „Silberflügel“ dran, ein ziemlich bescheuerter Fledermausfilm, der einen nicht wirklich voranbringt. 20 Minuten haben Greta gereicht. Schließlich waren „Die Wilden Kerle 4“ angesagt. Über dessen Kulturgehalt kann man streiten. Schlimm finde ich, dass die Jungs inzwischen gar nicht mehr richtig Fußball spielen. Fußball ist doch weder durch Motorräder noch durch Frauen zu ersetzen. Um so mehr gefällt der Film unseren sämtlichen Mädels, und ich war neugierig genug. Schade, denn als es richtig spannend wurde, hatte Greta überhaupt keine Lust mehr. Heute schien mir das Glück zu lachen, denn wir kamen ins Spielzimmer, als DWK 4 gerade vor anderen Eltern und Kindern ablief – unweit der Stelle, bei der wir gestern ausgestiegen waren. Prima, dachte ich und setzte mich gleich dazu. Nur dumm, dass wir höchstens sieben Minuten später zu unaufschiebbaren Anwendungen ins Zimmer beordert wurden. Wahrscheinlich werde ich mir das Ende von DWK 4 jetzt mal heimlich abends zuhause anschauen müssen.

Am Samstag war das Essen mal wieder der Hit. Morgens: Ein Brötchen und zwei Butterpakete. Mittags: Sieben Fischstücke im Möhrenspan-Gulasch. Die Tellerfächer zwei und drei mangels Gemüse beide mit Sättigungsbeilage befüllt. Immerhin bin ich satt geworden. Zum Nachtisch Joghurt und Kuchen, erstaunlich! Kurz nach der Essensausgabe ging die Schwester herum und sammelte den Kuchen wieder ein. Versehen von der Küche, der Kuchen ist für die „Vesper“ (dieses Wort ist für mich bisher der einzige Hinweis darauf, dass Sachsen in Süddeutschland liegen und katholisch beeinflusst sein könnte). Schließlich das Abendbrot: Zwei Scheiben Brot, ein Butterpaket, eine Mandarine, Schluss. Keine Wurst, kein Käse, kein gar nichts. Zum Glück haben wir immer Nutella dabei.

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

Manchmal, wenn ic so lese was du schreibst, sträuben sich mir die Nackenhaare. Einerseits ist diese Klinik ja noch ganz risch und medizinisch-technisch wohl auf dem neuesten Stand. Andererseits würde ichgerade deshalb erwarten, daß eben auch das drumherum optimal gestaltet wird (Essen, Ruhezonen auch für die Eltern, präsente Arzte und keine solche Pannen wie kein freies Bett) Klar, daß ihr dicht die Energie habt, darum zu kämpfen. Euch verlangt der Alltag schon viel zu viel ab. Aber Steffi hat mal erzählt, daß es Psychologen gibt. Tun die denn nichts dafür, daß das auch menschlicher wird? Mittlerweile sollte sich doch auch in Forscherkreisen rumgesprochen haben, daß die Seele bei Krebsbehandlung auch ne wichtige Rolle spielt. Und das kann doch nicht das Behandlungskonzept sein, daß die dann erst nach Chemo, Bestrahlung und OP in der Reha wieder beachtet wird???
Die Mädchen scheinen im übrigen die Kontaktfähigkeit von Steffi gelernt oder gaerbt zu haben. Ich fand das immer wieder erstaunlich, wie schnell Steffi bei den Umzügen wieder einen Kreis Menschen hatte. Ne wirklich tolle Fähigkeit.
Ansonsten